Flussreinigung 2021

Wollt ihr die schmutzigen Details?

Sowohl unsere fleißige Regionautin Eva, als auch die Waldegger Gemeinde haben bereits von unserer erfolgreichen Piestingreinigung berichtet. Eigentlich könnte ich mich damit getrost zurücklehnen und mir das Abtippen dieser Zeilen ersparen und mich stattdessen anderen Fahrtenberichten widmen. Aber aufgrund einiger erstklassiger Fotos, welche ich euch nicht vorenthalten möchte habe ich mich dazu entschlossen neben der Waldegger Bürgermeisterwerbung: https://www.waldegg.co.at/Uferreinigung_entlang_unserer_Piesting_ und Evas herzerwärmendem Zeitungsartikel: https://www.meinbezirk.at/wiener-neustadt/c-regionauten-community/in-waldegg-wurde-die-piesting-gesaeubert_a4649360#gallery=null auch noch ein paar Zeilen zu verfassen.

Und im Gegensatz zu meinen Vorschreibern verfasse ich diesen Artikel mit Absicht etwas schonungsloser. Zwar freue ich mich darüber, dass die Feuerwehr Wopfing, der Dorferneuerungsverein Waldegg und der KSO feh Ortmann Sektion Paddeln lobenswert erwähnt werden, allerdings führt das Ganze an seinem Zweck vorbei. Eigentlich geht es nicht um gute Werbung, sondern um den Dreck in der Piesting. Und deswegen rücken wir jetzt mal den Dreck in den Vordergrund. Hier kommen die unschönen und schmutzigen Details des Piestingtals ans Tageslicht!

 „Hier oben werdet ihr eh nix finden.“, ruft uns Herbert, Vereinsobmann des Dorferneuerungsvereins Waldeggs, noch hinterher als Philipp, Fiona, Julian und Yasmin mit Boot und Müllsäcken bewaffnet Richtung Piesting stapfen. Unseren Einstieg wählen wir kurz oberhalb des Bahnhofs Miesbach, gegenüber des Weghofer Gasthofs. Über eine steile Uferböschung rutschen wir in die Piesting. Es folgt eine kleine Gefällestufe, dann die Bundestraßenbrücke und im nächsten unscheinbaren Kehrwasser zieht Fiona auch schon die ersten Stücke Müll aus der Uferböschung. Keine 10 Meter weiter klauben bereits alle an beiden Seiten des Uferns Bierdosen und alte Reifenschläuche aus der Uferböschung. Und das weit entfernt von jeglichem Fußweg.

Desto schöner sich die Piesting auf den nächsten Metern durch die Landschaft schlängelt umso mehr Müll taucht auf. Bis zum Zusammenfluss des Miesbachs haben sich Zigarettenpackerl, Plastikplanen und Plastikflaschen zu unserer Sammlung hinzugefügt. Den vorläufigen Höhepunkt markiert eine Plane von der Größe eines Festivalzelts. Eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet, die Plane bei dieser milden Strömung überhaupt aus dem Unterholz zu bekommen. Julian, als einzige Besitzer eines Kajakmessers, fällt nun die Aufgabe zu, die Meterware in müllsackgerechte Häppchen zu zerschneiden.

Währenddessen ziehe ich ein Stück weiter unten ein Dreh&Drink aus dem Wasser. Pink und unverschlossen. Das wandert fürs erste nicht in den Müll. Etwa zeitgleich findet Fiona ein Ei. Unbemalt, naturbelassen und intakt. Der Versuch es an der Uferböschung zu Zerdeppern missglückt aufgrund der weichen Uferbewachsung. Julian und Yasmin haben das „Zelt“ inzwischen verstaut. Ihre Müllsäcke sind inzwischen so weit angeschwollen, dass die Spritzdecke schon zu beulen beginnt. Fiona hat intelligenterweise gleich gänzlich auf ihre verzichtet. Nur kurze Zeit nach der zweiten Bundesstraßenbrücke folgt der unschöne Tiefpunkt aller heutigen Funde.

Was ich aus der Entfernung für eine Plastikplane hielt entpuppt sich bei näherer Betrachtung als toter Vogel heraus. Mit gesundem Abstand und Paddelblatt versuche ich das Tier soweit aus dem Weg zu räumen, sodass zukünftigen Paddlern der Anblick erspart bleibt. Schon beinahe aus dem Wasser heraussen, schwingt plötzlich eine Pfote über die Paddelblattkante. Ein Metallgerüst kommt zum Vorschein. Nope! Riesengroßes Nope! Allein der Gestank hätte mich dieses „Was-auch-immer-zum-Teufel-das-war“ wieder fallen gelassen. Der Anblick ist grausam, brennt sich aber sofort ins Gedächtnis. Schnell weg! Das soll das nächste Hochwasser erledigen. Wähhhh! Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Was auch immer davon übrig ist hängt da samt Pfoten tief in einer Falle oder Schlimmeren. Nein, danke! Uferwechsel bitte!

Gegenüber läuft das Geschäft wie gewohnt. Plastikfetzen, Styropor, Flaschen, Bierdosen, warum eigentlich immer nur Gösser? Ah, nein. Verzeihung! Ein Puntigamer hat sich dazwischen geschummelt. Fiona findet erneut ein Ei. Diesmal ist eine Felswand in Wurfdistanz und das Ei zerlegt sich vorbildhaft nach allen Spielregeln der Physik in der Luft. Da geht mir doch ein Licht auf. Nein, doch nicht. Die Glühbirne, die da schwimmt, ist leider kaputt. Ein bisschen mehr Styropor, noch ein paar Plastikflaschen und schon stehen am Ortsbeginn von Oed vier volle Müllsäcke zu Buche. Und das auf einem Abschnitt wo: „Wir ja ohnehin nicht viel finden werden.“

Dieser erste Vorgeschmack lässt schonmal erahnen, welch schiere Menge an Fundstücken sich weiter unten in der Piesting noch tummeln wird. Zuerst müssen wir aber nach Waldegg gelangen. Da in Oed das Wasser der Piesting in einen Werkskanal abgeleitet wird, müssen die Boote ihre Reise am Autodach fortsetzen. Der Flussabschnitt direkt nach Oed wurde bereits von Franz und Stefan gereinigt, die bereits am Ortsbeginn von Waldegg auf uns warten. Der Einstieg beginnt direkt hinter der letzten großen Stauwehr und führt über eine steile, mit Felsen befestigte Uferböschung. Alpinstarttraining inklusive.

Schon wenige Meter nach dem Einstieg beginnt die frohe Sammelaktion, erneut. Plastikfetzen, Plastikflaschen und eine ungeöffnete Packung Schlagobers bilden den Grundstock meines Müllsacks. Leider war das Schlagobers schon seit einem halben Jahr abgelaufen. Auf dem Weg zur Bundesstraßenbrücke werden wir von unverhofftem Publikum mit einem herzlichen Dankeschön verabschiedet. Kurz darauf treffen wir auf die Feuerwehr Wopfing die sich mit ihrer Zille unserer Mission anschließt. Hier sollte eigentlich auch Martin zu uns stoßen. Stattdessen finden wir aber nur sein leeres Boot. Während wir am Ufer auf Martin warten, schert die Feuerwehrzille einen Kratzer in Yasmins Boot und war von da an nicht mehr gesehen.

Gottseidank, da ist er ja! Die Erleichterung ist groß als Martin um die Ecke biegt. Eine ausgedehnte Auspendelaktion mit der Feuerwehr hat ihn aufgehalten. Zu Siebent geht es weiter. Bis zum Ortskern von Waldegg finden hauptsächlich Verpackungen und Plastikflaschen ihren Weg in meinen Müllsack. Die Ortsdurchfahrt von Waldegg selbst bietet kaum Müll. Sie besteht zur Gänze aus einem mit Steinen befestigten Betonkanal mit einigen künstlichen Kehrwässern links und rechts. Am Ausgang von Waldegg findet die Piesting wieder in ihre gewohnte Form aus stark umwucherten Mäandern. Styropor, Metall und Plastikfetzen kommen wieder zum Vorschein.

Mein nächster großer Fang ist ein leerer Sack Katzenfutter, der sich am Grund des Flussbetts verfangen hat. Martin hat inzwischen mehrere Meter Abstand zu uns aufgerissen. Seine Sammelwut übertrifft unsere bei weitem. Außerdem ermöglicht ihm sein Aufblaskajak selbst bei starker oder querkommender Strömung eine leichter Ernte. Unsere Kajaks sind dafür zu strömungsanfällig. Während wir auf ihn warten, stürze ich mich über ein Rudel Styroporstücke. Das nächste Highlight ist ein kaputter Kochtopf gefüllt mit einem Sammelsurium an Altmetall. Aufgrund der Größe und des Gewichts überlasse ich ihn Martin für den weiteren Abtransport.

Mit jedem Meter flussabwärts steigt die Menge an Müll in den Booten. Die zusätzliche Last verschärft die wenigen wildwassertechnisch aufregenden Stromschnellen enorm. Gerade bei Martin habe ich inzwischen Bedenken, dass sein Boot dem nächsten Steinkontakt nicht mehr standhalten würde. Die resultierende Mülllawine hätte wohl Ähnlichkeiten mit einem Dammbruch gehabt. Bis Wopfing gesellen sich zu der ohnehin schon bunten Sammlung noch die Lehne eines Gartensessels und ein Messer hinzu. Gott sei Dank hat Julian es noch in einen Styroporblock gesteckt, bevor er es dem unwissenden Martin ins Boot gelegt hat.

In Wopfing selbst ist für die Feuerwehr Endstation. Der nachfolgende Katarakt ist nichts für schwere Holzboote. Vorbildlich wird beim An-Land-Ziehen das Heck der Zille noch unter Wasser gesetzt, um das Boot gewollt und mit voller Absicht noch von innen zu waschen. Dass dabei die Kappe eines der Besatzungsmitglieder davonschwimmt, war ebenso gekonnt und von langer Hand geplant. Kurz vor dem besagten Katarakt teilt sich die Piesting. Die Abzweigung in den rechten Arm ist zur Gänze mit Holz blockiert. Dazwischen findet sich eine ähnliche große Menge an Styropor. Martin braucht ohnehin Zeit zum Aufholen. Eine Vodkaflasche, auch leer, ist das einzig interessante in diesem Haufen.

Nun kommt das paddeltechnische Highlight der heutigen Runde. Vor uns liegt ein sanfter Abfall mit einer durch zwei gröbere Felsen begrenzten Linie durchsetzt von Schaumkronen. Trotz seiner Kürze bietet der Katarakt Wildwasserfeeling pur. Martin umträgt die Schlüsselstelle. Nachdem wir das Werk Wopfing hinter uns gelassen haben, beginnt die Piesting wieder stärker zu schlängeln. Jede Kurve bietet etwas Neues. Plastikplanen, Plastikflaschen und Styropor. Die Menge an Styropor übersteigt dabei inzwischen jegliche Kapazitäten unserer Kajaks. Mit beinahe manischem Gelächter scheitern wir den anwachsenden Müllbergen Herr zu werden.

Die Spritzdecke beult, nein nicht deswegen. Bonk! Nicht solche schmutzigen Gedanken. Das Boot ist voll, am Deck wird gestapelt, bis Oberkante Unterkiefer und an den Cowtails hängen bereits die seltsamsten Ingenieursauswüchse von Flößen. Martins Schlauch ist inzwischen ebenfalls an seine Kapazitätsgrenzen gekommen. Bei seinem Anblick würde man meinen, dass wir auf der Mittelmeerroute unterwegs sind und nicht auf der Piesting. Zwischendurch zerbersten bei Stefan und Philipp die selbstgebastelten Styroporflöße zwischen der Zugkraft aus Cowtail und Wasserwucht der Gefällestufen. Wie Eisberge nach einem Gletscherbruch tauchen sie die Piesting in ein Meer aus Plastik.

Der schöne Eindruck wird jedoch schnell von vermehrten Funden halbvoller Plastikflaschen gestört. Der Farbe der enthaltenen Flüssigkeit nach handelt es sich dabei um Körperabscheidungen. Wäh! Grauslich. Aber es muss raus. Raus aus dem Bach und rein ins Boot, das ohnehin schon voll ist. Zu all dem Überfluss an Müll kommt nun noch eine Holzblockade hinzu. Ein Holzrechen auf der rechten Seite blockiert die Durchfahrt und sammelt auf der linken Seite Müll für ganze zwei weitere Boote. Glücklicherweise kommt Eva gerade aus dem Dickicht hervor. Endlich können wir die Boote wieder auf eine zulässige Maximallast reduzieren.

Philipp und Julian nutzen die wiedergewonnene Leichtigkeit ihrer Kajaks und beginnen mit der Beseitigung der Holzblockade. Die freigewordene Durchfahrt ermöglicht auch Zugriff auf den gegenüberschwimmenden Müllkreisel. Aufgrund des unruhigen Wassers und der enormen Menge werfen wir die Müllstücke einfach nur mehr in die Hauptströmung, wo sie weniger Meter flussabwärts wieder an Land geschmissen werden. Jetzt sind sie Eva‘s Problem. Immer noch überladen, aber immerhin wieder seetüchtig, bringen wir auch noch die letzte Etappe hinter uns, ehe wir am Bahnhof Oberpiesting das Ziel erreicht haben.

Am Ausstieg bemerke ich erst, dass ich im Boot feststecke. Der prall gefüllte Müllsack lässt keinen Platz mehr, um meine Beine Richtung Luke zu strecken. Während ich also meine Gliedmaßen schlichte, genießen die ersten Paddler bereits ihre wohlverdiente Verpflegung. Erst jetzt wird das Ausmaß der enormen Müllmenge sichtbar. Über die gesamte Strecke haben sich an die 20 gut gefüllte Säcke Müll ergeben. Das Styropor noch nicht eingerechnet, das liegt lose herum. Und trotzdem bleibt am Ende dieser Fahrt ein Lächeln im Gesicht, denn wir wissen jetzt, dass wir eine spaßige und vor allem wunderbar saubere Paddelstrecke fast vor der Haustüre haben.

Abschließend bleibt nur noch eins zu bemerken: „Wer von euch Heisln auch immer Gösser obahoib vo Oed in die Piesting haud. Her auf mit dem Schaß! Oda trink wenigstns wos Bessas ois a Gösser. Die grünen Dosen find ma ollawö nua so gschissn in da Wiesn. Und an die Freiluftschiffer in Wopfing. Hobts es kane Häuseln in da Gegend? Is ja grauslich! Na, ehrlich! Lauter hoibvoll angschiffte Flaschln im Wossa. Da hätt i a ganzes Krankenhauslabor für Wochen mit Urin beschäftigen kennan. Ka Wunda das a Paddlerin mit an Hautauschlag daheim glegn is nach der Aktion. Do hert si da Spaß echt auf. Wir san nämlich ned zuaständig fürs ausezahn. Wir mochn des freiwillig, wei ma si ois Paddler verpflichtet fühn.“ Und vielleicht hat dieser Beitrag geholfen, dass auch ihr, die hier Wohnenden und Lebenden, sich für den Dreck in der Piesting verantwortlich fühlen. „Sonst schupf ma euch den Schaß beim näxtn Moi afoch übern Zaun zruck in Gortn.“ Bis zum nächsten Mal!

Euer schlechtes Gewissen