Soca-Woche 2020

Prolog

Heute ist es endlich soweit. Die erste große vereinsinterne Ausfahrt des Paddelclub Pernitz steht an. Motiviert und mit 8 Booten bestens gerüstet starten Eva, Fiona, Philipp und Julian am Dienstag den 21.07. auf ins Soca-Tal. Knappe 6 Stunden später sitzen wir im Camp Laszlo und genießen gefüllte Palatschinken während wir die unheilvollen Gewitterwolken in der Ferne verfolgen. Heute bleibt es trocken. Die Betonung liegt auf „heute“. Danach nutzen wir die warme Abendsonne für einen kurzen Schwimmer in der Soca. Den haben wir nötig. Das schwüle Wetter hat beim Zeltaufbauen dem körpereigenen Wasserhaushalt noch härter zugesetzt als Julian den Haringen. Eva braucht jetzt 6 Neue. Etwas verspätet kommen dann Sam und Timon am Campingplatz an. Während sie Zelt aufbauen genießen wir in der Zwischenzeit unser Gute-Nacht-Bier. Die kühle Nachtluft im Tal verschafft einen guten Schlaf wie man ihn in den letzten Tagen südlich von Wien nur selten bekam. Damit waren wir gut ausgeruht für die erste Ausfahrt.

Hausfrauenstrecke

Der erste Morgen. Es ist Mittwoch der 22.07. Heute geht’s auf die Hausfrauenstrecke. Von Cezsoca bis nach Sprenica I paddeln wir uns gemütlich auf die kommenden Tage ein. Wir staunen über die umliegende Landschaft während sich der Fluss in großen Bögen durch eine karge Schotterlandschaft mäandriert. Für Sam und Timon die ideale Strecke, um zu schnuppern und sich an das Boot zu gewöhnen. Nach zwei Drittel der Strecke taucht der Boka-Wasserfall zwischen den Felswänden auf. Der höchste Wasserfall Sloweniens wirkt aus der Ferne etwas kraftlos, was dem trockenen Wetter der letzten Tage geschuldet ist. Nach dem Zufluss der Boka wird aber immerhin der Flusslauf etwas spannender. Es tauchen größere Felsen im Bachbett auf, die mehr Gefälle, mehr Wellen und auch die oder andere Walze zum Vorschein bringen.

Die erste größere Walze wird auch gleich zum Surfen genutzt. Philipp und Julian sind die ersten die sich hineinstürzen. Nach den langen ruhigen Passagen ist es schön endlich mal wieder ein bisschen Wasser übers Boot und ins Gesicht zu bekommen. Eva, Sam und Fiona verzichten. Timon hingegen packt die Anziehungskraft des türkisenen Wellenberges und zieht ihn in seine Fänge. Er bleibt gerade lange genug über Wasser für ein Foto. Dann schnappt ihn die Kante auf der falschen Seite und schon treibt er verkehrt wieder aus der Welle heraus.

Anerkennung verdient er dennoch. Die Zeit, die er unter Wasser verbringt, bis ihm klar wird, dass er keine Ahnung mehr hat wie die Rolle funktioniert ist beachtlich. Andere Anfänger wären hier vermutlich, einer Panikreaktion geschuldet, schon viel schneller aus dem Boot draußen gewesen. Unterhalb von Zaga wird es wieder ruhiger. Der Flusslauf wird breiter und beginnt wieder sich zu schlängeln. Apropos: „schlängeln“. Schon mal eine Ringelnatter in der Schwimmweste gehabt? Seit dieser Ausfahrt kann ich diese Frage mit „Ja“ beantworten.

Obwohl diese Tiere ja an sich gute Schwimmer sind, dachten wir uns, dass wir dieses Tier hier mitten im Fluss irgendwie retten müssten. Da sie auf das Paddel anscheinend keine Lust hatte, kantete ich soweit auf, dass sie auf meine Spritzdecke schwimmen konnte. Einen Augenblick später war sie wieder weg. Verschwunden, aber ganz sicher nicht im Wasser. Das feucht warme Klima zwischen meinem Neopren und meiner Schwimmweste dürfte ihr zugesagt haben und so verkroch sie sich darin. Bis ich am Ufer war und beide Hände für die Suche nach der Schlange frei hatte, war sie schon über meinen Rücken bis zum Helm vorangekommen. Ich setzte meinen Helm schnell ab und reiße meinen blinden Passagier dabei gleich mit. Diesmal landet sie auf meinem Vorderdeck.

Inzwischen haben sich alle anderen Paddler kreisförmig um mich versammelt und bestaunten nun wie die Ringelnatter ihr nächstes Opfer auswählt. Über Evas und Julians Boot klettert sie weiter bis auf Fionas Kendo. Von dort nimmt sie eine Rutsche ins Wasser und schwimmt an Land. Wenig später verschwindet sie im hellen Uferschotter. Ich kann mir vorstellen was ihr jetzt durch den Kopf geht: „Der ganze Aufwand für nix.“ Denn jetzt ist sie erst am selben Ufer wie vorher. Nur weiter flussabwärts.

Von der Schlange fasziniert bemerken wir nicht, dass hinter uns dunkle Wolken aufziehen. Erst als das erste Grollen durch die Felswände getragen wird, einigen wir uns, dass wir wohl einen Zahn zulegen sollten. Der Ausstieg ist aber gleich erreicht und Eva und Philipp machen sich auf die Autos auszupendeln. Während die restlichen Paddler im Regen ausharren müssen sitzen wir im trockenen Auto. Zurück beim Ausstieg ist das Gewitter wieder vorbei. Es kommt auch nicht oft vor, dass man es als Pendler angenehmer hat als der Rest der Gruppe.

Zurück am Campingplatz wird gekocht. Für Eva, Philipp und Fiona gibt es Nudel in Öl und Knoblauch, Julian isst Instant-Nudeln und Sam und Timon kochen ein Chili. Der restliche Abend wird für einen ausgiebigen Spaziergang entlang der Soca genutzt. Auf dem Rückweg von der Napoleonbrücke treffen wir auf eine zutrauliche Schafherde. Sie begleitet uns ein Stück. Danach kehren wir ein auf ein Gute-Nacht-Bier ein. Das brauchen wir heute auch. Die Nacht bringt nämlich Gewitter. Der Regen ist zwar nur mäßig stark aber das Grollen ist laut und bis weit in die Nacht hinein zu hören.

Der Klassiker

Der nächste Morgen ist trocken. Heute ist Donnerstag, der 23.07. Die nassen Zeltplanen sind die einzigen Zeugen der nächtlichen Gewitter. Die starke Morgensonne und die hohe Luftfeuchtigkeit machen die Schwüle bereits in der Früh unerträglich. Wir versuchen uns daher möglichst schnell ins kalte Nass zu flüchten. Nachdem uns Sam und Timon heute schon verlassen, ist heute ein Besuch auf dem Klassiker der Soca möglich, der Friedhofstrecke. Und so setzen Eva, Philipp, Fiona und Julian ihre Fahrt dort fort, wo sie gestern ausgestiegen waren, in Sprenica I.

Die weitläufigen Schotterbänke von gestern werden nun durch steile Uferböschungen und große Felsen ersetzt. Das Wasser wird wilder und die Wellen schäumen. Bis Sprenica II verläuft die Fahrt gemütlich. Dann kommt die Einfahrt in die Friedhofstrecke. Als jener Paddler, welcher die Soca zuletzt auf diesem Abschnitt gefahren ist, und daher die aktuellsten Flusskenntnisse besitzt, darf ich die erste Linie durch den Anfangskaterakt ziehen. Eva, Fiona und Julian folgen mir nach. Nach diesen ersten gut überstandenen Wuchtwasserpassagen wird mir das Vertrauen als Gruppenanführer ausgesprochen. Ein etwas vorzeitige Entschluss wie sich später zeigt.

Etwa nach zwei Dritteln kommen wir zu jenem Abschnitt, welcher mir schon bei meinem ersten Besuch fast zum Verhängnis wurde. Ein gewaltiger Felsen voraus, welche den Flusslauf nach links zwingt und davor eine nahezu nicht erkenntliche Walze, die in der Mitte ausgewachsene Creeker baden schicken kann. Ich erinnere mich an die Ideallinie. Eine unscheinbare Wasserrutsche ganz rechts umgeht diese Falle geschickt. Ich weise meine Mitpaddler auf die kommende Stelle hin und fahre voraus. Dahinter folgt Julian, denn Eva und zum Abschluss Fiona. An besagter Stelle angekommen ist von der Wasserrutsche keine Spur. Nur ein Stein, der mir nicht bekannt vorkommt. Weil es anders nicht geht fahre ich ein Stück weiter links ins schäumende Weißwasser.

Die Einfahrt erfolgt horizontal, die Ausfahrt vertikal. Ich bin überrascht, als mein Salto mitten im Flusslauf auf einmal zu kerzeln beginnt. Als ich ihn wieder einfange ist Julian bereits mit einem Stützschlag in selbigem Abfall beschäftigt. Von dieser Seite erkenne ich die Walze wieder, und das Problem. Der Wasserstand ist zu niedrig. Das elegante Vorbeimogeln am gefräßigen Loch ist nicht möglich. Der Stein ist normalerweise die Wasserrutsche. Für Eva kommt diese Erkenntnis zu spät. Sie fährt ein und schwimmt hinaus. Aus meiner Entfernung beschließe ich anzulanden und den Wurfsack auszupacken. Als ich bereit am Ufer stehe ist Eva bereits an Land geschwommen, ihr Boot allerdings noch nicht. Mist!

Ich steige hüfttief ins Wasser und versuche ihren Salto zu erreichen. Er treibt nah und langsam an mir vorbei. Der anschließende Katarakt sorgt für ruhiges Wasser, sodass ich ihn leicht erreiche. Jedoch um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Als ich den Griff des Boots fest in der Hand halte liegt er mit der Spitze schon hinter dem nächsten Felsen. Die Strömung dahinter zieht das volle Boot in den Katarakt hinein und mich gleich hinterher. Während ich zwischen Felsen und Wasserschwallen versuche das Boot ans Ufer zu schieben steht Eva im Trockenen. Als ich das Boot unter enormen Kraftaufwand am Ufer zum Liegen bringe schwimmt mir von hinten Fiona mit der gelben Vereinstussi entgegen. Auch sie hat die Walze, brav meiner Linie folgend, schön mittig erwischt und ein unfreiwilliges Bad genommen.

Julian war inzwischen zu Hilfe geeilt und gemeinsam hatten wir alle Boote aus dem Wasser. Nun war eine Verschnaufpause angesagt. Während Eva, Fiona und Julian ihre Boote nun beisammenhatten, musste ich noch einmal schwimmend den Katarakt queren, um zum anderen Ufer und zu meinem Boot zu gelangen. Ein Stück weiter unten, bei einer ähnlichen Stelle, begebe ich mich nach dieser Vorstellung vorsichtshalber samt Wurfsack in Position. Diesmal aber ohne Grund. Die restliche Befahrung erfolgt ohne Zwischenfälle.

Am Nachmittag war eigentlich noch eine Befahrung vom Campingplatz durch die Schlucht mit der Napoleonbrücke geplant. Aufziehende Gewitter und Starkregenschauer verwehrten uns das allerdings. Als Alternativprogramm tauchen wir in die Geschichte ein und begeben uns ins Museum in Kobarid. Dort bestaunen wir die historischen Überbleibsel der 12 Isonzoschlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Nach dieser ausgiebigen Gesichtsstunde hat der Regen aufgehört. Zwischen den grell erhellten Nebelschwaden der untergehenden Sonne geht es zurück ins Zelt. Auf dem Weg dorthin holen wir uns noch das verdiente Gute-Nacht-Bier. Der nächste Morgen wartet schon.

Koritnica

Tag 3. Wir schreiben Freitag den 24.07. Heute geht es auf die Koritnica. Der Auswirkungen des gestrigen Regens sind bereits am Weg zum Einstieg in Kluze erischtlich, als wir am Boka Wasserfall vorbeifahren. Er wirkt weitaus imposanter als noch zwei Tage zuvor. In Kluze angekommen, sind wir über den geringen Andrang verwundert. Wir sind die einzigen Paddler heute. Lediglich ein paar Camper stehen im Weg. Ob das am Wetterbericht liegt? Für heute Nachmittag sind nämlich heftige Gewitter vorausgesagt. Der Himmel ist bereits bedeckt. Die Luftfeuchtigkeit hoch.

So wundert es auch nicht, dass man nach dem fast 15-minütigen Abstieg schweißgebadet am Einstieg ankommt. Die Koritnica zeigt sich wie in meiner Erinnerung von der letzten Fahrt. Wir besichtigen die Einstiegsschlucht und beschließen auf der linken Flussseite bis zum letzten Kehrwasser vorzufahren. Es folgt eine erneute Besichtigung, bevor ich mich als Testobjekt zur Verfügung stelle und mich als erster durch die Engstelle hindurchschwemmen lasse. Die Linie gelingt einwandfrei. Fiona muss nicht von ihrem Wurfsack Gebrauch machen. Ich steige aus, geselle mich zu Fiona auf die Felsmauer und gemeinsam sichern wir Eva. Danach nimmt Eva Fiona’s Platz ein und wir sichern Fiona und Julian. Alle kommen gut durch. Lediglich das Boot muss den ein oder anderen unangenehmen Steinkontakt in der Engstelle hinnehmen. Während wir alles Equipment und uns selbst wieder in den Booten verstauen, nutzt Julian die Gelegenheit für einen Sprung von der Felswand. Das Wasser ist saukalt.

Kein Wunder, dass sich auf der Wasseroberfläche eine Nebelschicht ausgebildet hat, die eher an tropische Regenwälder als ans Soca-Tal erinnern. Desto weiter flussabwärts wir paddeln umso breiter wird der Flusslauf. Die starke Verblockung vom Anfang geht etwas zurück. Dafür wird der Nebel dichter. Beim ehemaligen Wasserpegel verengt sich der Flusslauf soweit, dass in den Wellen dahinter gesurft werden kann. Julian rollt einmal. Kurz darauf folgt die zweite Schlucht. Die Einfahrt wird von einem etwas happigen Kehrwasser bewacht. Die falsche Kante kann hier schonmal leicht zu einem Schreckmoment führen. Das eigentliche Schmuckstück findet sich aber in der Mitte der Schlucht. Ein mittig im Flusslauf liegender Brocken teilt das Wasser zu gleichen Teilen nach links und rechts.

Ein Abfall vor dem linken Teil sieht furchterregend aus, da das Wasser sehr weit in den unterspülten Felsen schießt. Rechts ist der Abfall erst nach dem Stein, von oben leider unersichtlich. Ich spiele wieder Testkandidat. Und für welchen Weg entscheidest sich der Kandidat? Links, da sieht man wenigstens was einen erwartet. Mit Schwung halte ich mich weit links. Es folgt eine lautes Schergeräusch als mein Boot auf der seichten Abrisskante über die Steine holpert. Die Landung im luftdurchsetzten Weißwasser ist umso angenehmer. Ich steige aus und sichere. Der Nebel lässt erst kurz vor dem Felsen erkennen um wen es sich dabei überhaupt handelt. Boot für Boot kommen Eva, Julian und Fiona sicher am anderen der Schlucht wieder heraus.

Kurz darauf folgt die Soca-Mündung. Die scharfen Kehrwässer im engen Flusslauf sind inzwischen keine Angstgegner mehr. Trotzdem werden nur wenige der Felsformationen zum Spielen genutzt. Für Julian und Fiona steht bei der persönlichen Erstbefahrung erst mal das Kennenlernen des Flusses im Vordergrund. Zurück auf der Soca wissen wir auf einmal wo alle anderen Paddler stecken. Nämlich hier! Die wenig verblockte, aber mit großen Kehrwassern gespickte Flusslauf ist von Anfängern übersäht. Wir paddeln eher zügig weiter und flüchten uns in leerere Gegenden. Schon wenig später kommen wir Cezsoca an.

Nachdem Boote und Equipment verladen sind gibt es zuerst etwas zu Essen. Auf dem Speiseplan stehen Unmengen an Pommes mit schallplattengroßen Burgern als Beilage und ein paar übriggebliebene Cevapcici. Danach rollen wir uns in den Prijon-Shop. Julian kauft sich einen Turtle-Back, für Fiona und Philipp reicht das Geld nur für einen Schlüsselanhänger. Auf dem Weg zurück statten wir dem Boka Wasserfall einen Besuch ab. Einerseits muss man es nutzen, wenn sich der Wetterbericht irrt und andererseits müssen die Kalorien von der Völlerei wieder verbrannt werden. Einem Strom aus Menschen folgen wir, auf teils unbeschilderten Trampelpfaden, hinauf zu einer Aussichtsplattform. Die herabstürzenden Wassermassen sind fesselnd. Der Luftstrom wirkt wie eine Klimaanlage und kühlt die sonst schwül heiße Umgebung um mehrere Grad nach unten.

Auf dem Weg nach unten machen wir dann einen Abstecher zur Boka. Der kalte Luftstrom wirkt irgendwie belebend. Auf einmal ist der schwere Magen vergessen und der Spieltrieb nimmt überhand. Auf den großen Felsen am Auslauf des Wasserfalls bewegen wir uns mehr kletternd und springend als gehend zum Ausgangspunkt zurück. Aus einem kurzen Abstecher wird eine einstündige Expedition. Zurück am Campingplatz kommen wir gerade noch rechtzeitig vor dem Weltuntergang an. Der Wetterbericht hat sich nicht geirrt. Er war nur spät dran. Während Julian in leichtem Nieselregen noch seinen neuen Turtle-Back ausprobiert, so schlägt er nur Sekuden später mit Zelthammer und Badehose bewaffnet Entwässerungsgräben in den Boden.

Die Wiese steht nämlich unter Wasser. Eva verfolgt das Spektakel vom trockenen Auto aus. Fiona und Philipp sitzen mit angezogenen Füßen unter der Zeltplane wo sonst unser Essplatz steht. Die Zelte sind von stehendem Wasser umzingelt, die Zufahrtsstraße nebenan ist sichtlich überfordert die Wassermassen abzuleiten. Ein bisschen mehr noch und man hätte die Boote wieder wassern können. Nach etlichen Minuten taucht dann langsam wieder der Horizont zwischen den dichten Wolken auf. Es wird weniger. Von Aufhören ist aber keine Rede. Wir verbringen den restlichen Abend im Restaurant des Campingplatzes. Zur Erklärung: Dort ist ein Dach, dort ist es trocken. Wir sind nicht die Einzigen. Als wir ins Zelt kriechen regnet es noch immer. Zwischenzeitlich beginnt es auch wieder zu Schütten. Erst Stunden später lässt es nach. Dann wird es still. Nass und matschig, aber endlich still. Gute Nacht!

Der Liebling

Nass und matschig. So startet der vierte und letzte Tag. Es ist Samstag der 25.07. Der sinnflutartige Regen der Nacht ist immer noch allgegenwärtig. Die Zeltplane ist nass, die Wiese matschig und die Boote, trotz Montage am Autodach, mit Wasser gefüllt. Das fällt aber erst beim Abladen in Kluze auf. Richtig, wir fahren erneut auf die Koritnica. Einerseits hat der gestrige Regen dem Pegel sicher gutgetan und andererseits fühlt sich unsere kleine Gruppe den etwas anspruchsvolleren Abschnitten auf der Soca nicht gewachsen. Außerdem haben wir einstimmig beschlossen, dass die Koritnica unser bisheriger Lieblingsabschnitt ist. Von da her liegt es nahe ihr heute einen erneuten Besuch abzustatten.

Doch der Start gestaltet sich heute holprig. Schon beim Abstieg zur Einstiegsstelle passiert Julian das erste Unglück. Beim Tragen des Saltos reißen die Nähte seines neuen Turtle-Back und das Boot macht sich selbstständig. Zum Glück aller Anwesenden ist der Wald in diesem Bereich recht dicht und nicht allzu steil, sodass die Reise des Boots schon direkt an der Unfallstelle zu Ende geht. An anderer Stelle hätte sich daraus ein gefährliches Geschoss bilden können. Nachdem der erste Schreck überwunden ist macht sich Enttäuschung über die zerstörte Ausrüstung breit. Dann statten wir dem Prijon Shop hat einen zweiten Besuch ab. Das Boot wird nun traditionell auf der Schulter zum Einstieg gehievt.

Doch Julian kommt nicht zur Ruhe. Heute fährt er erstmalig Curve und überlässt Philipp den Salto. Hinzu kommt, dass Philipp heute die rechte Anfahrt zur Einstiegsschlucht wählt. Julian schafft es somit als erster, noch vor Fiona und Eva, in einem unbekannten Boot, die linke Flussseite zu befahren, ohne die Linie zu kennen. Fairerweise muss man sagen, dass es dort nicht wirklich eine Linie gibt, nur Steine und zu wenig Wasser. Der Übermut wird bestraft. Die Steine bringen den Curve zum Kippen und Julian schwimmt. Als ihn Philipp rechtzeitig im letzten Kehrwasser vor der Schlucht aus dem Wasser zieht zeigt sich wieder warum man einen Helm mit Kinnschutz verwendet. Trotz Kinnbügel zieren Julian’s Gesicht nun zwei schöne Schrammen auf Nase und Wange. Er ist sichtlich angeschlagen.

Eine kurze Pause und eine Bootsrochade später ist er wieder einsatzfähig. Vorsichtshalber fahren wir im Doppelpack durch die Schlucht. Ich voraus, Julian hinten nach. Diesmal gibt es keine Katastrophen. Wir steigen aus und machen uns bereit für die Sicherung von Eva und Fiona. Eva fährt ebenfalls ohne Schwierigkeiten durch den Felsschlitz. Dann kommt Fiona. Nein, tut sie doch nicht. Stattdessen mogeln sich zwei Franzosen dazwischen. In feinster Autodrome-Manier fahren sie dicht hintereinander in die Schlucht ein. Der Hintermann, offensichtlich Anfänger, fährt dem Vordermann auf, versucht auszuweichen und touchiert die Felswände mehrmals. Dann verschwindet er hinter einer Felswand. Als er wiederauftaucht, liegt sein Boot verkehrt im Wasser. Er selbst hängt wie ein Schiffbrüchiger seitlich daneben. Julian schmeißt ihm den rettenden Wurfsack entgegen.

Es folgt eine anstrengende Bootsbergung. Während wir den schwimmenden Kajaker an Land ziehen, sein Boot entleeren und die Wurfsäcke wieder verstauen, fährt Fiona souverän durch die Felswände hindurch. Der zweite Franzose genießt das bunte Treiben vom Boot aus. Von ihm aus gibt es keine Bemühungen seinem Kollegen zu helfen. Wir entlassen den Fremden wieder zurück ins Wasser und gönnen uns nach getaner Arbeit eine Abkühlung. Nach zwei Sprüngen von der Felsmauer entdeckt Fiona wie besagter Franzose eine Kehre weiter unten am Rand steht und schon wieder sein Boot ausleert. Wir beschließen daraufhin aufzubrechen und das dubiose Duo hinter uns zu lassen. Wir retten zwar grundsätzlich gerne, aber wir wollen auch nicht Babysitter spielen.

Die restliche Strecke sind wir nun wieder unter uns. Der Wasserstand ist etwas besser als gestern, das Wetter auch. Statt Wolken und Nebel gibt es strahlenden Sonnenschein. Am ehemaligen Pegel nutzen wir die Wellen wieder zum Surfen. Julian muss wieder Rollen. In der unteren Schlucht entscheiden wir uns ob des besseren Wasserstands und der gestrigen Besichtigung dafür, den Felsbrocken rechts zu umfahren. Trotz mehr Wasser und besserer Sicht, lässt sich ein Steinkontakt an der Abrisskante nicht vermeiden. Nur Fiona fährt aus Gewohnheit wieder links vorbei. Die Soca-Mündung wird heute ebenfalls ausgiebig zum Kehrwasserfahren genutzt. Julian legt am Ende einen unfreiwilligen Schwimmer ein. Diesmal ohne Abschürfungen im Gesicht. Am Weg zum Ausstieg assistieret Philipp noch einer deutschen Reisegruppe bei einer Bootsbergung.

In Cezsoca laden wir dann die Boote auf und tauschen im Prijon-Shop den gerissen Turtle-Back gegen einen neuen ein. Die Verkäufer waren zwar erstaunt, aber sehr verständnisvoll. Zurück am Campingplatz gibt es ein schnelles Essen bevor wir zum Abschluss noch ein letztes Mal die Boote wassern.

Napoleon

In der untergehenden Abendsonne lassen es sich Philipp, Fiona und Julian nicht nehmen, den letzten Kilometer der Abseilstrecke zu fahren. Der Abschnitt ist durch die letzte Schlucht mit der Napoleonbrücke ein landschaftliches Highlight. Trotz des breiten Flusslaufs und geringer Verblockung sind die Wellen dennoch nicht zu unterschätzen. Der erhöhte Wasserstand durch die vergangenen Regenfälle macht aus einer gemütlich geplanten Nachmittagsdümpelei eine richtige Wildwasserfahrt. Gerade für unsere kleinen Kendos sind die großen Felswände mit ihren Kehrwässern herausfordernd.

In der Schlucht selbst sind die wuchtigen Passagen schnell zu Ende. Die Oberfläche ist übersäht von Pilzen und Spiegelungen der Umgebung. Es gibt ein paar Kehrwässer in ausgewaschenen Felsbecken und einige Kletterstellen von denen Julian noch den ein oder anderen Sprung ins Wasser wagt. Am Ausgang der Schlucht wird der Flusslauf abermals breiter und nach einer letzten Stromschnelle ist auch schon der Ausstieg auf einer Schotterbank erreicht. Ein würdiger Abschluss einer ausgiebigen Paddelwoche. Und zur Abwechslung, auch mal ein trockener.

Epilog

Auf in die Heimat, lautet das heutige Motto. Die vergangene Woche war ereignisreich und geprägt von neuen Eindrücken. Die Boote haben jede Menge neue Schrammen, und der ein oder andere Paddler auch. Mitbringsel haben wir auch genug, vor allem in Form von nassen Campingequipment und Neopren. Trotz trockenem Wetter, welches uns beim Einladen entgegenkommt, sind wir nachher gebadet. Die Schwüle zieht einem das Wasser schneller aus dem Körper als man es über das Trinken wieder aufnehmen kann. Wir hüpfen ein letztes Mal in die Soca um uns abzukühlen und genießen die kalte Luft, die der Fluss mit sich durch das Tal zieht. Auf dem Weg nach Norden machen wir einen Abstecher in die Batterie am Predilpass. Danach geht es ohne Zwischenstopp bis nach Hause. Die Klimaanlage hat ordentlich Mühe die Feuchte aus dem Auto daran zu hindern die Windschutzscheibe zu beschlagen. Als wir am frühen Abend zu Hause ankommen, sind wir müde. Sehr müde. Boote und Gewand dürfen bis morgen noch weiter im Auto dampfgaren. Jetzt darf erst mal ausgeruht werden.

Euer Paddelclub Pernitz