Übungsleiter Teil 1

2 Jahre, 3 Anbieter, 4 Anläufe

Das alles hat es gebraucht, um uns dorthin zu führen wo wir jetzt endlich stehen. In Lienz, an der Drau. Mit Blick auf die Slalomstrecke. Nach 5 Autostunden und einem Beinahunfall auf der A10, als einem LKW vor uns ein Reifen geplatzt ist, sind wir endlich angekommen. Es ist kurz nach 18:00 am Abend des 18.09. Wir, Philipp, Fiona und Julian, haben im Freien vor dem Bootshaus des OKC Platz genommen. Die erste Theorie Einheit der Kajak-Übungsleiterausbildung steht auf dem Programm. Im Rücken sorgt die untergehende Sonne für ein spektakuläres Abendrot auf den umliegenden Berggipfeln. Daneben kämpft der Beamer gegen die immer noch viel zu helle Umgebung. Ein Mann mit Bart stellt sich vor. Sein Name, Manuel Köhler, unser Ausbildungsleiter.

Zum Start gibt es eine kurze Vorstellungsrunde seinerseits bevor wir uns in den ersten Themenblock des Wochenendes stürzen. Sicherheit und Recht! Und das für die nächsten 3 Stunden. Säße ich jetzt an der FH so hätte ich meine geistige Anwesenheit schon allein beim Wort „Recht“ ad acta gelegt. Der kajakspezifischen Aufarbeitung, dem Enthusiasmus des Vortragenden und auch ein wenig der Umgebung geschuldet, blieb die Aufmerksamkeit auch über das gewohnte 20min Fenster hinweg auf Hochniveau. Mit Begeisterung lauschen wir den Erfahrungen unseres Gegenübers. Ganz beiläufig bleibt auch der ein oder andere Wissensfetzen hängen. Das wichtigste kurz und gebündelt:

  1. Der- oder diejenige mit der höchsten Ausbildung ist nicht automatisch verantwortlich bei einem Unfall, sofern er oder sie davor lautstark und in Gegenwart eines Zeugen, auf die Gefahren und Risiken sorgfältig hingewiesen hat.
  2. Sofern nicht Herr- oder Frau Landeshauptmann bzw. die Schifffahrtsgesetze etwas anderes behaupten ist ein Befahren bzw. Aus- und Einsteigen des Flusses, z.B. zum Besichtigen überall erlaubt.

Gut zu wissen. Man fühlt sich der Verantwortung gleich mehr gewachsen und bekommt spontan Lust mit seinem Kajak durch das ein oder andere Ufergrundstück zu spazieren. Etwa gegen 20:00 ist die Luftfeuchtigkeit so weit gestiegen, dass sich der Papierblock besser zum Aufwischen, als zum Führen einer Mitschrift eignet. Immerhin ist der Beamer jetzt sichtbar. Zeit für ein paar Videos aus der Privatkollektion des Vortragenden. Warum zeigen die in meinen Vorlesungen eigentlich nie Paddlervideos? Kurz vor 21:00 ist dann Schluss. Wir verabschieden uns rasch und fahren weiter nach Matrei.

Dort haben wir nach kurzer Suche unsere Unterkunft für das Wochenende gefunden. Ein altes Bauernhaus, welches wir dank Lorenz großzügigerweise in Beschlag nehmen dürfen. Den gedämpften Abendtemperaturen entsprechend führt der erste Weg sofort in Richtung Holzofen. Als dieser schließlich brennt wendet man sich dem nächsten unbefriedigtem Grundbedürfnis zu, dem Hunger. Noch bevor das Essen zur Gänze verputzt ist, macht sich das leichte Schlafdefizit bemerkbar.  Es ist inzwischen Mitternacht. Ein dicker Schlafsack, ein weiches Bett, ein voller Magen und ein knisternder Kamin. Wenn das nicht mal die idealen Voraussetzungen für einen tiefen Schlaf sind.

Schlaf wird überbewertet

Der Schlaf war tief und erholsam. Nur eben nicht lange genug. Treffpunkt ist bereits um 09:00 beim Strandbad des Tristacher Sees. Mit einer halben Stunde Fahrzeit und Umziehen miteingerechnet sollten wir kurz nach 08:00 los. Das bedeutet Frühstück um 07:00 bzw. Aufstehen um 06:30 um noch zum Bäcker spazieren zu können. Wie erwartet, sind wir dann trotzdem ein wenig zu spät losgefahren. Immerhin sind wir aber nicht die letzten die am Parkplatz aufschlagen.

Heute Vormittag steht Flachwassertraining am Programm. Die Gruppe wird aufgrund ihrer Größe in Zwei geteilt. Die eine Hälfte darf ein typisches Training absolvieren, während die andere Gruppe an der eigenen Schlagtechnik arbeitet. Wir starten mit den Trainingsübungen. Zuerst wird am Kanten und dann an verschiedenen Schlägen gearbeitet: Vorwärts, rückwärts, einseitig, alternierend, Richtungswechsel, unterschiedliche Griffbreiten, mit und ohne Körperrotationen. Mir war davor nicht bewusst, wie intensiv und umfangreich ein Training am Flachwasser werden kann. Schon nach der ersten Einheit spüre ich meine Arme.  Zur absoluten Vernichtung am Ende wird eine Runde Fangen gespielt. Erstaunlich wie schwerfällig und lahm ein ausgewachsener Creeker neben einem Slalomboot erscheint. Da hat nicht mal ein Kendo eine Chance.

Nach eineinhalb Stunden Mittagspause, einem kurzen Trip durch Lienz und ein Kebap später sitzen wir wieder im Boot. Diesmal in der Technikgruppe. Der Fokus liegt nun auf dem Erlernen der einwandfreien Technik von Vorwärtsschlag, Bogenschlag, Stauschlag und Ziehschlag. Erstaunlich, was man bei einem simplen Vorwärtsschlag so alles beachten muss bzw. falsch machen kann. Der Ziehschlag hingegen macht nahezu süchtig. Es dauert einige Minuten, bis Kurskorrekturen und 180° Wenden annähernd so gelingen, wie man sich das im Kopf vorstellt. Man kann förmlich hören wie die Zahnräder im Kopf rattern.

Zum Abschluss gibt es noch eine Einführung in das Erlernen der Eskimorolle. Julian darf als Versuchsobjekt herhalten. Schnell zeigt sich, dass die Rolle zu lernen umso schwerer ist, je besser man die Rolle schon kann. Die mühsam erlernten Bewegungen zu vergessen und sich führen zu lassen erweist sich als schwieriger als gedacht. Trotzdem können wir einige sehr hilfreiche Tipps und Tricks aus dieser Übung mitnehmen. Macht euch gefasst auf das diesjährige Rollentraining.

Die Abendpause wird genutzt, um die nassen Neoprensachen nach Matrei zu kutschieren und den Holzofen für den Abend auf Betriebstemperatur zu bringen. Danach geht es zurück zum Bootshaus für die nächste Lektion. Diesmal: Biomechanik und Trainingslehre. Hier blüht der ehemalige Sportgymnasiast wieder auf. Energiebereitstellung, ATP, ADP, Muskelaufbau, aerobe Schwelle, anaerobe Schwelle, etc. Alles kein Problem nach mehreren Semestern Sportkunde. Lediglich die Biomechanik fiel für uns Mechatroniker und Bauingenieure doch etwas mager aus. Dafür konnte man als ausgebildeter Fitlehrwart bei der Trainingslehre wieder punkten.

Desto später der Abend, umso besser der Blick auf den Beamer. Und so gab es zum Abschluss noch ausreichend Paddlervideos aus den Privatsammlungen unseres Vortragenden. Zum Teil faszinierend, zum überwiegenden Teil jedoch furchteinflößend. Kurz vor 21:00 war dann endgültig Schluss für heute. Den Rest des Abends verbringen wir sichtlich ermüdet vor dem warmen Holzofen mit einer Portion Specklinsen. Dann heißt es Schlaf sammeln für morgen.

Noch mehr Bewegung

Heute läutet der Wecker nochmal eine halbe Stunde früher. Zusätzlich zum Treffpunkt um 09:00 auf der Slalomstrecke muss das Haus besenrein und das Auto vollständig gepackt sein. Nach Ende der heutigen Lektion wollen wir nämlich gleich im Anschluss den Heimweg antreten und keinen Umweg mehr über Matrei nehmen. Eine Herausforderung. Aber sie gelingt, trotz eines etwas mageren Frühstücks, weil der Bäcker heute erst um 09:00 aufsperrt. Zu spät für uns, da sind wir längts beim Bootshaus angekommen und schälen uns bereits in unser Paddelgewand.

Trotz pünktlicher Ankunft rutschen wir dennoch als Letzte mit unseren Booten in die Drau. Bei einer kurzen Bestandsaufnahme zeigt sich, dass wir abgesehen von Fiona in der neuen Vereinstussi, definitiv die älteste Bootsflotte in der Gruppe stellen. Mit zwei Kendo´s auch keine Besonderheit. Für das anstehende Slalomtraining aber vielleucht sogar ein Vorteil. Schnell zeigt sich aber wie schwer Slalomfahren eigentlich ist. Die Technik von Ziehschlag und Torfahren, welche gestern noch großartig geklungen hat, lässt sich im Wildwasser kaum reproduzieren. Mal abgesehen davon, dass wir in keinem Slalomboot sitzen, fehlt uns Wildwasserpadlern auch jegliche Erfahrung im Umgang mit Slalomtoren. Im Durchschnitt braucht unsere Gruppe 3 bis 5 Schläge mehr als unser Leiter im Slalomboot. Dennoch stellen wir uns im Vergleich gar nicht so schlecht an.

Die Größe der Gruppe und das Finden eines leeren Platzes im Kehrwasser sind teils herausfordernder als der Slalomkurs selbst. Julian wird aufgrund des Platzmangels gegen einen Stein getrieben, aufgekantet und umgedreht. Der niedrige Wasserstand und nachfolgende Felsstufen machen ein Aufrollen nahezu unmöglich. Während er ans Ufer schwimmt unternimmt sein Kendo im Alleingang einen Ausflug Richtung Ortszentrum. Erst einige hundert Meter später haben wir sein Boot am Ufer zum Stehen gebracht. Bis wir alle drei Boote und uns selbst wieder zurück geschleppt haben, ist die Gruppe bereits am Ende der Slalomstrecke angekommen.

Hier ist wesentlich mehr Platz. Einige Teilnehmer haben am Ufer bereits eine Pause eingelegt, sodass das Slalomfahren für die verbleibenden Paddler nun wesentlich angenehmer ist. Jetzt erst zeigen sich erste Erfolge. Hin und wieder gelingt der Ziehschlag und das Tor zieht mit nur lediglich 3 Schlägen am Boot vorbei. Auch S-Kombinationen gelingen. Dennoch, dass beachten der Wasserformation und der Tore gleichzeitig erfordert einiges an Konzentration. Eine kurze Pause ist dringend notwendig.

Nach der Pause gibt es einen Gruppenwechsel. Unterhalb der Slalomstrecke wird nun Kehrwasserfahren und Schulterfahren geübt. Das Ziel: Möglichste schnell unterwegs zu sein. Schnell ins Kehrwasser rein und so schnell als möglich wieder raus, noch dazu mit möglichst wenig Schlägen. Ziehschlag ahoi! Immerhin muss man sich nun nicht mehr auf Torstangen konzentrieren. Nach jedem weiteren Kehrwasser wird das Rattern der Zahnräder im Kopf wieder lauter. Der Lerneffekt ist sichtbar. Die leichte Frustration vom Beginn geht nun in helle Freude über. Wo ist das nächste Kehrwasser. Ich bin fast enttäuscht, als wir kurze Zeit später schon wieder am Ausstieg angelangt sind.

Es folgt: Das Mittagessen. Streng nach Vorschrift schlägt man sich vor der Turnsaaleinheit den Bauch noch bis zum Anschlag beim Asiaten voll. Im Turnsaal steht dann eine Koordinationsstunde an. Reck, Parkour, Kletterstangen, Slalom, Balancebalken, etc. In einem Zirkel werden die unterschiedlichen Koordinationsfertigkeiten trainiert. Das innere Kind kommt zum Vorschein. Endlich wieder Turnen. Sogar meine Sportmatura am Reck funktioniert noch. Nach 2 Stunden ist die Einheit dann leider schon wieder zu Ende. Schade, ich hab mich gerade erst gut aufgewärmt gefühlt.

Weiter geht’s mit der letzten Theorieeinheit: Sicherheit und Rettung. Mit Schwimmweste, Cowtail, Bandschlingen und Karabinern bewaffnet, werden Prusik, Flaschenzüge und Klettergurte gebastelt. Selbst Bondage-Fetischisten hätten hier noch etwas lernen können. Wir sollten unbedingt mal wieder Bandschlingen kaufen gehen, und ein paar Seilrollen. Fürs Kajaken selbstverständlich. Neben vieler nützlicher Fertigkeiten wurden auch rege Diskussionen geführt. Die Philosophie des Cowtails, des richtigen Fädelns und die Verwendung von Helmen mit Kinnschutz sind Themen, über die sich wohl noch Generationen von Paddlern streiten werden.

Dennoch, am Ende des Wochenendes sind wir um eine Menge neuer Fertigkeiten, neuem Wissen und Erfahrungswerten reicher. Wird Zeit, dass wir diese auch bei uns im Wildwasser ausprobieren. Dafür müssen wir aber zuerst wieder nach Hause. Es ist kurz vor 17:00 und vor uns liegen 5 Stunden Autofahrt und ein leerer Magen. Am Ende des Wochenendes haben wir mit 13 Stunden in etwa so viel geschlafen wie wir im Auto gesessen sind. Trotzdem freuen wir uns schon auf den zweiten Teil der Ausbildung, wenn wieder nach Osttirol zurückkehren dürfen. Wir sehen uns im Frühjahr.

Euer Paddelclub Pernitz