Wildalpen Juli 2021

Endlich Abkühlung!

Heiße Temperaturen und hartnäckige Trockenheit im Osten Österreichs haben den Wunsch nach einer dringend nötigen Wildwasserkur schon seit geraumer Zeit unaufhörlich wachsen lassen. Dieses Wochenende ist es endlich so weit. Mit Zelt im Auto und Boot am Dach plagt sich der brustschwache Benzinmotor über die Passstraße am Niederalpl. Von hier an unterstützt die Schwerkraft die restliche Fahrt bis ins entlegene Wildalpen. Erster Treffpunkt ist der Campingplatz Nachbagauer, wo uns Sigi bereits ein ruhiges Fleckerl zwischen den halbgegarten Kuhfladen der Weidewiese reserviert hat.

Wir sind etwas vor der Zeit als wir am Treffpunkt ankommen und beschließen daher die Wartezeit konstruktiv nutzen zu wollen. Während wir auf die Ankunft von Eva warten, stellen wir inzwischen unser Zelt auf. Während wir auf die Ankunft Stefans warten, beobachten wir Eva beim Aufbau ihres Zelts. Während wir auf die Ankunft von Franz warten, sitzen wir bereits bei Jause und Kaffee. Und während wir auf die Ankunft von Walter warten, hat sich der Kaffee bereits in Bier gewandelt. Und als Walter endlich zu uns stößt fängt die Geschichte überhaupt erst an.

Grund für die lange Wartezeit ist nämlich die zeitgleich stattfindende Selbstbeweihräucherung einiger Lokalpolitiker zur erfolgreichen Umsetzung des Wildnisgebiets Lassingalpen. Der Hintergrund: Ein Haufen naturfremder „Volksvertreter“, dessen einziger Bezug zur Gegend ein vor Jahrzenten stattgefundener Vollrausch ist, beschließt in einem portablen Nobelzelt den Ausschluss sämtlicher Bevölkerung aus einem Gebiet, welches nur deswegen schützenswert ist, weil die wenigen verantwortungsvollen Besucher es über Jahrzehnte hinweg schützenswert hinterlassen haben. Grandiose Idee! Das finden auch wir Paddler!

Und während Walter und Franz uns versuchen die Hintergründe zu erklären, wieso wir Paddler nun nicht mehr auf der Lassing paddeln dürfen, hat die Sonne längst ihren Zenit überschritten. Am Ende werden wohl auch die Beschwerden nichts mehr nützen. Dennoch macht sich Franz auf den Weg nach Fachwerk um dem „Who-Is-Who“ der sinnbefreiten Gesetzesentwürfe einen Besuch abzustatten. Und während sich Franz unter die Politiker mischt, mischen wir uns unter die Wellen. Somit kommt es, dass wir den Campingplatz erst gegen 14:15 auf dem Wasserweg verlassen.

Zu fünft bewegen sich Sigi, Eva, Stefan, Philipp und Fiona bei einem sehr bescheidenen Pegel von nur 129cm am Pegel Wildalpen flussabwärts. Gerade aber wegen des geringen Wasserstands präsentiert sich die mittlere Salza heute überraschen aufregend. Anstatt gewohnt spiegelglatter Wasseroberflächen ist das Flussbett heute von Steinen und Felsen durchlöchert. Kehrwasser um Kehrwasser schieben wir uns von einer Walze zur nächsten. Dazwischen laden felsendurchsetzte Gefällestufen zum Boofen und Kerzeln ein. Selten kann man auf diesem Abschnitt so oft U-Boot spielen.

Als wir bei der Heliwelle ankommen ist bereits eine Stunde Fahrzeit verstrichen. Und die Uhr tickt fröhlich weiter, als sich Philipp und Stefan in die Spielwelle stürzen. Trotz geringen Wasserstands ist der Sog respektabel. Stefan hat sichtlich Mühe sich aus der Welle zu befreien, als sich sein Dampfer seitlich hineinstellt. Die Flucht gelingt, fordert aber seine erste Rolle seit fast 5 Jahren und beendet damit eine stolze Serie von der andere Paddler nur träumen können. Bei Philipp sind derartige Maßnahmen nicht notwendig. Auch ihn setzt die Walze nach mehrmaligem Versuchen zwar auf der linken Kante fest. Allerdings reicht ein wenige Gewichtsverlagerung aus, um den Kendo, wenn auch vertikal, wieder aus der Walze hinauszuschieben.

Geduscht sind wir dennoch beide. Gut abgekühlt stürzen wird uns durch die Abfälle und Kehrwässer der Slalomstrecke gefolgt von der berühmt berüchtigten Campingplatzwalze. Diese fristet aber aufgrund des mageren Wasserstands auch nur ein Dasein im Schatten ihrer selbst. Anstatt Wuchtwasser und Walze gibt es eine lange Wasserrutsche, die in einer luftdurchsetzen Schaumkrone endet. Nicht zu unterschätzen aber weitab von der Naturgewalt, welche die Salza sonst auf ihr entwickelt. Die Strecke unterhalb von Wildalpen profitiert vom wenigen Wasser ähnlich gut wie die Brunner Wellen.

Oberhalb von Fachwerk kommt es sonst nicht so oft vor, dass man sich schweren Herzens entscheiden muss, ob man den kommenden Abfall über die Steine springend oder durchs Wellental tauchend überwindet. Mein persönliches Highlight bietet die kurze Schluchtpassage vor der Händlstiege. Ein schmaler Wasserstrahl zwischen einer unscheinbaren Felsstufe ermöglicht Kerzelübungen an der Grenze zwischen stumpfen und spitzen Winkel. So senkrecht schaffe ich das normalerwiese nicht. Die folgende Händlstiege hingegen präsentiert sich wie immer. Kaum Wasser, dafür viel Steinkontakt. Die Moosrutsche müssen wir diesmal wasserstandsbedingt auslassen. Dafür entschädigt der Lawinenschwall. Bei der Menge an Steinen und Kehrwässern hätte man hier vermutlich Stunden verbringen können.

Beim Petrus machen sich die 3 Stunden Fahrzeit bereits deutlich in den Armen bemerkbar. Bei höheren Pegeln nimmt das Wasser den Armen normalerweise ein bisschen der Arbeit ab. Beim heutigen Wasserstand jedoch musste vermehrt auf Muskelkraft zurückgegriffen werden. Auf dem Retourweg gönnen wir uns deshalb noch eine Stärkung in Form von Flüssignahrung bei der Grabnerin. Dadurch kommen wir zwar etwas verspätet dafür aber bereits leicht angerauscht wieder am Campingplatz an, wo uns bereits Christian und Moni erwarten. Vollzählig, können wir nun endlich zum langersehnten Höhepunkt des Tages übergehen. Abendessen im Krug!

Eine Suppe, ein Zwiebelrostbraten und ein Bissen Nachspeise, welche Fiona selbstlos an mich abgibt, sind die Unterlage für das nun folgende Abendprogramm. Zurück auf der Kuhweide organisieren wir uns eine Feuerschale und eine Scheibtruhe voll Holz. Mit gegrillten Marshmallowsandwiches und lauwarmen Bier verfolgen wir, wie das Licht des Lagerfeuers langsam die untergehende Sonne ablöst. Ein paar Dosen, Flaschen und klebrige Hände später ist es bereits stockfinster. Nun übernehmen die Sterne. Erst gegen Mitternacht sind auch die Holzreserven so weit verbraucht, dass nun der Sternenhimmel die letzten glühenden Überreste in der Feuerschale ablöst. Zeit, um ins Zelt zu kriechen. Morgen müssen wir fit sein!

Die Salza schlägt zurück

Der Morgen könnte für Wildalpen kaum typischer ausfallen. Pünktlich gegen 08:00 früh wird man vom leisen Prasseln des Regens auf der Zeltplane aus dem Schlaf gerissen. Annähernd ausgenüchtert nähert man sich einem Zustand, den man schon beinahe als wach bezeichnen könnte als einem plötzlich wieder einfällt, wie dringend man eigentlich schon aufs Klo müsste. Der stärker werdende Regen macht die volle Blase auch nicht besser. Der Griff zu den Schuhen spiegelt die Dringlichkeit einer Toilette bereits wider. Beim Schuhe Binden treten dann kurzfristige Zweifel an der eigenen Koordinationsfähigkeit auf, die aber sofort verblassen, als einem klar wird, dass das bereits halbtrockene Neoprenzeug noch auf einer provisorischen Wäscheleiter aus Spanngurten im Baum hängt. Jetzt aber flott!

Vergiss die Schuhbänder! Gemeinsam greifen sich Fiona und ich eine trockene Ikea-Tasche und beginnen den bunten Baumschmück, den wir gestern noch so kreativ dort platziert haben, wieder herunterzuzupfen. In der Hoffnung das Neoprenzeug gegenüber gestern wenigstens ein bisschen trockener bekommen zu haben verstauen wir es ihm Auto, wo ihm der stärker werdende Regen nichts mehr anhaben kann. Unsere Nachbarn tun es uns gleich. Nachdem dieser erste morgendliche Adrenalinschub überstanden ist, erinnere ich mich wieder, warum ich den warmen Schlafsack überhaupt erst verlassen habe. Schnurstracks geht es Richtung Toilette.

Ein paar Minuten später sitzen wir alle bei Tisch und genießen unser Frühstück. Bis auf Sigi, der hat es sich unter seinem Campingvordach gemütlich gemacht und zieht es vor sein Frühstück an der frischen Luft einzunehmen. Bei einem kurzen Blick in die Runde lässt sich anhand des Gesichtsausdrucks das Maß an gesundem Schlaf der letzten Nacht ablesen. Bei Moni scheint die Ausbeute mager. Die Kälte der Nacht hat ihr merklich zugesetzt. Im Nachhinein hilft es auch nicht zu wissen, dass eh ein zusätzlicher Schlafsack da gewesen wäre, den Christian allerdings als Kopfpolster in Verwendung hatte.

Beim Anziehen des Neoprengewands hat sich die Hoffnung das Neoprenzeug zumindest etwas trockener bekommen zu haben als Wunschdenken herausgestellt. Das Paddelgewand verhält sich wie das Wetter. Feucht, kalt und unangenehm. Sigi vergeht bei diesem Anblick gänzlich die Lust aufs Paddeln und beschließt den heutigen Tag auszusetzen. Seine Entscheidung ist nicht gerade ein Motivationsschub für Moni, die aufgrund der gestrigen Nacht und der vorherrschenden Witterung noch auf der Suche nach ihrer grenzenlosen Vorfreude von gestern ist.

Während wir auf die Rückkehr der Auspendler warten, hat sich das Wetter inzwischen gebessert. Der Regen hat aufgehört und zwischen der dicken Wolkendecke lässt sich schon beinahe die Sonne vermuten. Kurz nach 11:00 setzen sich Eva, Philipp, Fiona, Christian und Moni endlich in Bewegung. Gespannt beobachten wir Moni’s erste Paddelschläge bei ihrer Premierenfahrt auf der Salza und auf Wildwasser überhaupt. Geplagt von den üblichen Anfängerschwierigkeit nehmen wir sie abwechselnd unter unsere Fittiche und versuchen sie zwischen den sanften Blockpassagen nicht gänzlich mit Anweisungen und guten Ratschlägen zu überhäufen.

Nach den ersten paar hundert Metern scheint das selbst erklärte Ziel, heute nicht zu schwimmen, realistisch. Trotz massiven Feindkontakts mit der Vielzahl an Steinen schafft es Moni trocken bis zur Heliwelle. Hier positioniert sich Philipp vorsichtshalber mit Wurfsack. Unnötigerweise wie sich herausstellt. Nach diesem ersten Erfolg scheint der gestrige Übermut nun wieder zu greifen denn sie ist fest entschlossen auch die Campingplatzwalze zu befahren. Noch ist es aber nicht so weit. Zuerst gibt es ein kurzes Zusammentreffen mit Stefan und Franz, die sich hier der Ausfahrt anschließen.

Während wir auf die Zusammenkunft warten unterhält sich Philipp derweilen in der Heliwelle. Die Unterhaltung dauert aber nicht lange. Schon beim ersten Mal erwischt mich die Welle seitlich und setzt mich auf der linken Kante fest. Anstatt mich, wie gestern, vertikal rauszuschieben dreht sie mich um, spuckt mich erneut aus und dreht mich dann erneut um, sodass bereits sämtlich Luftreserven erschöpft sind als ich versuche im starken Sog unter Wasser mein Paddel für eine Rolle zu positionieren. Naja, ist ja erst 2 Monate her seit dem letzten Schwimmer. War ohnehin mal wieder fällig.

Die darauffolgenden Surfversuche gelingen problemlos. Anscheinend hat die Salza nur ihr eines obligatorisches Flussopfer gefordert. Damit sollte die Campingplatzwalze für Moni eigentlich keine Gefahr mehr darstellen. Brav hinter Eva´s Spur folgt sie ihr in die Slalomstrecke hinein. Das letzte Kehrwasser vor der eigentlichen Walze kommt allerdings zu überraschend und so muss Eva mitansehen, wie Moni allein ohne Vorfahrer über die Kante der Campingplatzwalze verschwindet. Glücklicherweise taucht sie aber nach der Walze genauso wieder auf wie sie hineingefahren ist. Trocken, oder zumindest noch aufrecht. Das erklärte Tagesziel ist nun fast in Griffweite.

Und gerade dann, nämlich kurz vorm Ziel, verlässt sie das Glück. Die Salza schlägt zurück und das auf die undankbarste Weise überhaupt. Auf einer Stelle, die keiner kennt, weil sie so harmlos ist. Auf einer kurzen Stromschnelle nach einem großen Gumpen muss sich Moni jenem Schicksal beugen, welches Generationen von Schnupperpaddler bereits vor ihr ereilt hat. Ein Stein keilt ihr Boot seitlich auf und schmeißt sie um. Und sie bleibt lange unter Wasser. Das Boot rutscht beinahe bis zum nächsttieferen Tümpel, bevor ihr sichtlich schockiertes Gesicht wieder aus den Fluten auftaucht. Etwas orientierungslos hilft ihr Christian ans Ufer. Philipp und Stefan kümmern sich um das Boot.

Erst außerhalb des Wassers erfahren wir den Grund für die Länge der Tauchfahrt. Ein Schlag ins Gesicht, und was für einer. Bei so einem seichten Abschnitt ist Steinkontakt zwar nicht auszuschließen, aber die Wucht, mit der sich der Stein unter Monis Auge verewigt hat, ist dennoch erstaunlich. Bereits jetzt, wenige Minuten nach der Rettungsaktion, ist das Veilchen bereits deutlich sichtbar. Und die Wirkung scheint spürbar. Sicherheitshalber legen wir eine längere Verschnaufpause ein. Ein Müsliriegel und ein paar aufmunternde Worte später ist der Schreck so weit verdaut, dass die Idee einer Weiterfahrt keine Panikreaktionen mehr auslöst. Dennoch, die Frage: „Wie lange ist es noch bis zum Ausstieg?“, beweist, dass der Schwimmer merkliche Spuren am Selbstbewusstsein hinterlassen hat.

Christian schraubt seine übliche auf Bootsdestruktion getrimmte Fahrweise etwas zurück und führt Moni auf den folgenden Schlüsselstellen zwar unspektakulär aber dafür auf sicheren Linien hindurch. Die letzte große Hürde wartet bei der Händlstiege. Franz bedient sich hier seines Altersbonus und lässt sein Boot von Stefan hinunterschleppen, während er die Stelle umträgt. Moni hätte diese Option ebenfalls wählen können fährt dann aber doch unerwartet Christian hinterher. Erneut scheinen die eigentlichen Schlüsselstellen Moni nichts anzuhaben. Auch hier fährt sie souverän hindurch.

Auf den folgenden Schlussmetern zieht Christian das Tempo etwas an, um Moni schneller ans rettende Ufer zu bekommen. Als der Rest der Gruppe in Fachwerk aufschlägt sind die zwei bereits sicher am Ufer gelandet. Inzwischen haben sich die dicken Wolken verzogen und die pralle Sonne lädt Philipp und Fiona noch zu einer abschließenden Rolle ein. Müde aber erfrischt geht es Richtung Auto. Der nächste Halt führt uns dann erneut zur Grabnerin. Als sich auf den Tellern vor uns die Kalorien stapeln bessert sich auch Monis Laune wieder. Der Schreck des Schwimmers verblast etwas und hinterlässt ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis zwischen schönen und furchterregenden Erinnerungen an die erste Salza-Fahrt her.

Nach einigen weiteren aufmunternden Worten und einer Vielzahl von Roberto´s Witzen auf Kosten von Fionas Unfähigkeit eine Portion Kaiserschmarrn zur Gänze aufessen zu können verabschieden wir uns Richtung Campingplatz. Die starke Nachmittagssonne hat die von der Früh noch feuchten Zeltplanen inzwischen vollkommen aufgetrocknet. In Windeseile verschwinden Zelt und Zubehör im Kofferraum des Autos sodass nur noch mehr ein paar zertretene Kuhfladen an unseren Besuch erinnern werden. Auf der Heimfahrt fragen wir uns, ob Moni beim nächsten Mal wohl wieder dabei sein wird. Wollen wir hoffen.

Euer Paddelclub Pernitz