Soca-Woche 2021

Wenn schon, dann gleich richtig

Endlich Urlaub. Auf dem Programm steht ein einwöchiger Roadtrip durch Slowenien. Und wie könnte man seine wohlverdiente Abwesenheit von der Arbeit wohl besser beginnen als mit vier Tagen ausgiebiger Paddelei an der Soca. Schon praktisch, dass die da gleich am Weg liegt. Als Begleitung haben wir uns erneut die lieben Kollegen des Salzburger Kajak Clubs ausgesucht. Diese haben zufällig genau zum selben Wochenden eine mehrtägige Ausfahrt auf der Soca geplant. Wie überaus praktisch.

Los geht’s am frühen Freitagnachmittag. Während Fiona und ich noch unser Auto samt 10-tägiger Campingausrüstung über den Predilpass treten, wartet Lorenz mit einer kleinen Gruppe bereits am Camp Lazar. Diese haben sich den Vormittag bereits auf der Friedhofstrecke warmgepaddelt und nun steht ihnen der Sinn nach etwas „Mehr“! Also wird die Abseilstrecke ins Auge gefasst. Für uns kommt der Entscheid etwas überrumpelnd. Noch nicht mal richtig ausgepackt, geschweige denn zu Mittag gegessen und sofort geht es auf den anspruchsvollsten Teil, den die Soca bei diesem Wasserstand zu bieten hat.

Immerhin kommt mir zugute, dass ich die Abseilstrecke bereits letztes Jahr erstbefahren habe und dadurch zumindest ein bisschen Erfahrung miteinbringen kann. Für Fiona hingegen wird es eine Fahrt ins Ungewisse. Andererseits ist die Unwissenheit über den anstrengenden 200 Höhenmeter tiefen Fußmarsch zum Einstieg vielleicht auch ein Segen. Der Gedanke daran allein kann im Hochsommer schon Atemnot hervorrufen. Bei Fiona ist die Reaktion am Fuße des Berghangs nicht ganz so dramatisch. Dennoch werden schnell ein paar dürftige Kalorien in Form eins Obstmuses zugeführt.

Als sich Puls und Kreislauf wieder in geregelte Bahnen begeben geht es ans Einbooten. Schon auf den ersten Metern zwingt ein kleiner Abfall die Soca durch eine fordernde Engstelle. Fiona bereitet sich darauf vor nass zu werden und versucht sich vorsichtshalber noch an einer Eskimorolle im stillen Wasser des tiefblauen Gumpens. Die Rolle misslingt jedoch. Der Pyranha Amo ist nun mal kein Kendo. Die ausgeprägten Kanten und der große Querschnitt machen die Rolle zusätzlich schwerer. Erneut geht es ans Einbooten.

Unsere restlichen Begleiter haben die Engstelle inzwischen absolviert und warten derweilen im nächsten Gumpen. Ich biete Fiona an, die Stelle zu umtragen, sie verweigert aber. Durchnässt und mit dem Abstieg noch immer in den Knochen fahren wir in die erste Schlüsselstell ein. Ich voran, Fiona hinterher. Ich erwische zwar nicht ganz die Ideallinie aber dennoch einen sauberen Kurs und geselle mich ohne Zwischenfall zu den anderen ins Kehrwasser. Fiona folgt. Dann ihr Boot.

Zwar erwischt auch Fiona eine saubere Linie, agiert in der Landezone aber zu zögerlich und wird schlicht von der Strömung umgeworfen. Da Rollen bekanntlich eh nicht funktioniert werden Fiona und Boot jeweils getrennt voneinander an Land gespült. Erneut heißt es Einbooten, inzwischen fast schon Routine. Ich mache mir etwas Sorgen, Fionas Erstbefahrung der Abseilstrecke steht nicht gerade unter guten Vorzeichen. Zwar nimmt die Schwierigkeit mit Vorankommen weiter ab. Bis dahin stehen uns aber noch ein paar Schlüsselstellen bevor.

Meine Sorge scheint allerdings unbegründet. Offenbar hat sich mit Hilfe des zweiten Schwimmers genügend Adrenalin angesammelt welches nun Wirkung zeigt. Die nächsten Meter sind ohnehin etwas entspannter, sodass wir beide genügend Möglichkeit bekommen, um uns wieder an Material und Wasser zu gewöhnen, bevor die nächste Schlüsselstelle ansteht. Diese Stelle hat in meinem Kopf aber ordentlich Eindruck hinterlassen. Damals konnte ich vor lauter Wuchtwasser nur durch Zufall einer Kollision mit einem von zwei angrenzenden Felsen entgehen als ich einem gerade mit Rollen beschäftigtem Lorenz ins Ungewisse folgte.

Heute haben wir zwar weniger Wasserdruck, der Respekt ist aber weiterhin ungebrochen. Und auch berechtigt. Die Passage bietet kaum Einsicht. Ein Paddler nach dem anderen verschwindet hinter der Einfahrt und alles was man oben mitbekommt sind fliegende Weißwasserfetzen. Ich rate Fiona eher auf der rechten Seite zu bleiben, um den von links einmündenden Flussarmen zu entgehen. Danach lasse ich sie im schützenden Kehrwasser allein zurück und versuche das soeben Besprochenen in die Tat umzusetzen. Leider etwas zu zögerlich komme ich zu weit in die Mitte und fahre ungewollt inmitten des chaotischen Weißwassertrubels. Die Augen schließen sich schützend vor den hereinbrechenden Wassermassen. Als sie sich wieder öffnen ist alles vorbei. Schlüsselstelle geschafft, Boot und Paddler noch vereint.

Ich beeile mich ins Kehrwasser, um Fiona einerseits photographisch als auch physisch festhalten zu können. Vielleicht schwimmt sie ja. Als ihr Boot um die Ecke kommt und ich den Auslöser drücke befürchte ich bereits, dass ich die Kamera nicht auspacken hätte sollen. Fiona kommt senkrecht daher. Senkrecht! Mit Bootspitze unter Wasser und Paddel nach vorne gerichtet. Einzig das Heck des Bootes ist zu sehen. Viel hätte nicht mehr gefehlt und Fiona wäre nach vorne übergekippt. Aber die Balletteinlage gelingt und Fiona rettet sich wieder zurück in Horizontale.

Angesprochen auf dieses waghalsige Manöver kann sich Fiona selbst nicht erklären, wie es zustande kam. Aber cool wars definitiv! Zum Glück hab ich ein Foto davon, sonst würde uns das keiner glauben. Beflügelt vom erfolgreichen Befahren dieser Schlüsselstelle kann Fiona auch der Rest der Abseilstrecke nichts mehr anhaben. Die wenigen noch folgenden erwähnenswerten Passagen lassen sich ohnehin allesamt über eine Chicken Line entschärfen. Selbst der Abseilkaterakt vergeht ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Nachdem nun die wildwassertechnischen Herausforderungen abnehmen, kann die beeindruckende Landschaft endlich in vollen Zügen genossen werden. Zwischen großen Felsen und türkisblauem Becken nähern wir uns der Ausstiegsstelle am Camp Lazar. Die Spielereien bleiben Nebensache, es ist bereits spät. Am Campingplatz angekommen warten bereits die nächsten Neuankömmlinge des SKC auf ein gemeinsames Abendessen. Endlich, ein Plan den wir voll und ganz unterstützen.

Wir wandern nach Kobarid und verbringen den Abend in einem kleinen überfüllten Lokal mit Craft Beer und lauter Atmosphäre. Leicht rauschig wandeln wir zwei Stunden später wieder zurück und zelebrieren Fionas Erstbefahrung auf der Abseilstrecke in kleiner Runde am Lagerfeuer. Es werden grobe Pläne für morgen aufgestellt und wenig später löst sich die illustre Runde auf. Die erste Nacht im Zelt wird kalt. Ein gewisser Alkoholgehalt im Blut kommt da gerade recht. Trotzdem schlafe ich die erste Nacht im Zelt ungewohnt tief. Ob das wohl am Bier oder an der Abseilstrecke liegt?

Der Triple-Header

Der nächste Morgen. Es ist immer noch kalt. Die Sonne versteckt sich hinter einem Berghang und schiebt sich nur zögerlich über den schattigen Campingplatz. Das restfeuchte Neopren von gestern ist dementsprechend noch nasser als gestern. Der Weg führt also zuerst mal zur Wäscheleine. Dort wird das Paddelzeug schnell noch herumgeschlichtet in der Hoffnung später vielleicht doch noch in trockenes Equipment schlüpfen zu können. Dann gibt es erst mal ein ausgiebiges Frühstück.

Währenddessen plagt mich ein innerlicher Kampf um die heutige Bootswahl. Auf der gestrigen Abseilstrecke saß ich noch im Salto, heute überlege ich, ob ich mich der Friedhofstrecke im Kendo stellen soll. Der Wasserdruck ist niedrig und inzwischen kenne ich die Strecke in- und auswendig. Außerdem lässt es sich im Salto nicht so ausgiebig spielen und ich würde wahrscheinlich nur nebenher dümpeln, während die anderen ihre Boote senkrecht stellen.

Na gut, dann eben Kendo. Auf eine weitere Diskussionsrunde mit dem Thema: „Der Salto war doch noch nie ein gutes Boot“ will ich mich ohnehin nicht einlassen. Nachdem die Bootswahl getroffen ist, werden die Autos beladen. Am Einstieg des Prologs stoßen dann auch noch die letzten Mitglieder des SKC zu uns und wir erreichen unsere endgültige Gruppenstärke von 10 Leuten. Ab hier gibt es buntes Chaos. An beinahe jeder Verschneidung wird Schabernack getrieben, sodass sich die Gruppe in Windeseile über einen Kilometer Länge verstreut hat.

Erst bei der Kurve zur eigentlichen Einfahrt findet sich die Gruppe wieder tröpferlweise zusammen. Einzelne Mitglieder versuchen aufgrund der Truppenstärke eine fixe Reihenfolge in zwei Gruppen zu organisieren. Der Vorschlag findet aber nur eine lasche Minderheit und daher geht es zwar getrennt aber durchgemischt in die Friedhofstrecke hinein. Und schnell zeigt sich, dass mein Kendo die richtige Wahl für heute war.

Die sonst großen furchterregenden Walzen werden entweder mit ungeahnter Geschwindigkeit durchtaucht oder als Hilfe zum Senkrechtstart genutzt. Endlich kann ich die unzähligen Surfwellen genießen. Bis zum untersten Drittel der Friedhofstrecke läuft mein Boot wie auf Schienen. Kaum eine Stelle vermag es mich aus dem Rhythmus zu werfen. Und dann kommt sie, die eine Stelle. Die Passage die seit jeher unsere Fahrten auf der Friedhofstrecke erzählenswert macht. Auch diesmal.

Fiona umgeht den lästigen Schwall links. Mich packt jedoch der Ehrgeiz. Wenn schon mit Kendo, dann aber richtig. Die rechte Seite frisst gerne mal ganze Bootshälften und ich musste mir beweisen, dass ich mein Boot da trocken durchmanövrieren kann. Ich stelle mich in ein nahes Kehrwasser und lasse den Rest der Gruppe passieren in der Hoffnung mir eine elegante Linie abschauen zu können. Ich entschied mich für eine Route und setzte mich in Bewegung.

Leider verbarg die Sicht aus meinem Kehrwasser heraus jedoch, dass es sich hier nicht um einen Schwall, sondern um ein seitlich ziehendes Loch, mit angrenzender Wasserzunge und nachfolgender Walze war. Kurz gesagt: Da war mehr, als auf was ich mich eingestellt hatte. Und wo auch immer die Ideallinie hier gewesen wäre, ich war nicht dort. Das wurde umso deutlicher, als ich Kopf unter Wasser aus der Walze ausgespuckt wurde. Rollen im Kendo war nicht gerade meine Stärke, aber!

Nein! Rolle misslingt. Eigentlich hat sie sich super angefühlt. Warum nicht? Ich stürze zurück ins Wasser, kann mein Paddel aber sofort neu positionieren. Der nächste Versuch glückt. Der Kopf ist wieder über Wasser. Immerhin! Wer es nicht fahren kann, muss es halt nachher Rollen. Unter den Augen aller anwesenden Mitpaddler bewies ich meine Rollkünste und erntete darüber zusätzlichen Respekt.

Der Grund dafür war der erste missglückte Rollversuch. Beinahe wäre es mir nämlich gelungen mein Boot mithilfe der Rolle auf einen im Flussbett liegenden Felsen zu heben. Nur wenige Zentimeter haben laut Zuschauern gefehlt und ich hätte eine vermutlich unvergessliche Landung hingelegt. Aber leider kam es zur zweiten Rolle. Egal, das Feuer war geweckt. Das Kendo verhalf mir zu ungeahnten Selbstbewusstsein und so verwundert es nicht, dass ich mich unerwartet einer Fahrt durch die anschließende Slalomstrecke anschloss.

Und auch wenn meine Rollbilanz im Kendo alles andere als zuverlässig ist, so fiel mir die Entscheidung vergleichsweise leicht. Nachdem Schlüssel und Wertsachen an Fiona abgegeben waren, stand meiner verlängerten Kendo-Erstbefahrung nichts mehr im Weg. Fiona verabschiedete sich derweilen mit dem Rest der Gruppe auf einen zweiten Friedhofstrecken-Run.

Inzwischen hatte ich genügend Slalomstrecken Runs hinter mir um nicht einen dezidierten Babysitter als Vorfahrer zur Verfügung gestellt zu bekommen. Ich durfte frei von der Seele paddeln, natürlich in vorher festgelegter Reihenfolge. Das Sicherheitsnetz bildet Tobi, welcher als dezidierter Einsammler ans hintere Ende der Gruppe verbannt wird. In dieser Konstellation fahren wir in die Slalomstrecke ein und nutzen die einigen Meter bis zum Ende der Slalomstangen um uns entsprechend aufzuwärmen.

Dann kündigen sich die ersten wuchtigen Abfälle an. Die Einfahrten werden unübersichtlicher, der Fluss hingegen lauter. Ich war darauf vorbereitet jederzeit einen Stützschlag setzen zu müssen. Ich rechnete damit zu verkanten oder auf einen Stein zu treffen. Aber nichts! Kein Stützen, keine Kollision, nicht mal Kurskorrekturen waren notwendig. Der Kendo sticht mühelos durch alle Wasserformen hindurch.

Die einzige Schrecksekunde findet im unteren Drittel statt als hinter einem Felsen gequert werden musste. Das Kehrwasser dort war unerwartet schwach und so hat es ein paar mehr Schläge gebraucht als gedacht, um nicht rückwärts in den falschen Schlitz gezogen zu werden. Aber auch danach läuft alles wie am Schnürchen. Wenig später erreichen wir die Ausstiegsstelle, stapfen zurück zum Parkplatz und lassen uns wild verteilt in den Autos der anderen Paddler zurück zum Campingplatz chauffieren.

Zurück am Camp Lazar steht eine ausgedehnte Mittagspause am Plan. Fiona und ihre Begleiter sind noch auf der Friedhofstrecke zugange. Ich, entledigt von sämtlichen Wertgegenständen und unserem Auto, kann lediglich auf den Campingkocher und die Essenkiste zurückgreifen. Mangels meiner Brille, die im Auto liegt, schaffe ich es gerade so mir ein Dosenfutter aufzuwärmen, von dem ich die Hälfte übriglasse für den wahrscheinlichen Fall, dass auch Fiona noch nichts gegessen hat.

Müde und zumindest nicht mehr allzu hungrig lege ich mich im Schatten des Vorzelts auf den Boden und döse vor mich hin. Erst eine knappe Stunde später wird mein seichter Schlaf unterbrochen, als Fiona endlich wieder im Basislager aufschlägt. Auch sie wirkt angesichts der doppelten Fahrstrecke leicht zerstört und braucht dringend eine Pause. Ich wärme das inzwischen kalte Essen erneut auf und wir überlegen uns, ob wir uns der Nachmittagspartie für die Abseilstrecke anschließen sollen.

Eigentlich sind wir müde. Außerdem ist es spät. Andererseits wäre es vielleicht die letzte Möglichkeit. Der Großteil reist morgen bereits wieder ab und da wollen die meisten bestimmt nur mehr was gemütliches unternehmen. Der Geist ist willig, das Neoprenzeug nass. Der Rest tut weh. Dennoch, die Aussicht auf einen Triple Header hätte schon seinen Reiz. Friedhof,- Slalom- und Abseilstrecke, noch dazu alles im Kendo! Die ohnehin immer länger dauernde Mittagsruhe kommt uns zusätzlich entgegen.

Als gegen 17:00 das Stichwort fällt, sind wir genügend ausgeruht. Wir verladen ebenfalls unsere Boote und lassen uns zum Einstieg der Abseilstrecke chauffieren. Erneut quälen wir uns die 200 Höhenmeter senkrecht hinunter. Unten angekommen zeigt sich uns ein bereits bekanntes Bild. Erschöpfte und verschwitzte halbangezogene Paddler, die sich entweder im Wasser abkühlen oder an der Wasserflasche laben. Man könnte schon beinahe von einem Naturschauspiel sprechen.

Wie eine Herde in der Savanne warten die bereits gestärkten Paddler am Wasserloch auf die Ankunft der Schlusslichter. Ungeduldig scharren sie mit ihren Plastikbooten am schottrigen Ufer. Einige gesellen sich derweilen ins Wasser, um durch plakative Demonstration von Kenterrolle und Schlagtechnik ihre Ranghöhe innerhalb der Herde zu festigen. Ein Ritual von enormer Wichtigkeit, weil es die Reihenfolge der Individuen innerhalb der Flussbefahrung und das Anrecht auf Vorrang in Spielwellen festlegt.

Bis auch das letzte Paddelboot den Kontakt zum Boden verliert hat sie die Rangordnung manifestiert und im Gänseschlag geht es durch die erste Engstelle. Wie ein Entenküken nach dem anderen purzeln die Paddler durch den Abfall ohne Zwischenfall. Diesmal greift auch Fiona energischer zum Paddel und steht die Passage, die ihr gestern noch zum Verhängnis wurde. Ein gutes Vorzeichen, müsste man meinen.

Wenig später dann jedoch die Ernüchterung. Fiona kommt schwimmend aus der nächsten wuchtigen Schlüsselstelle heraus. Glücklicherweise stehe ich mit meinem Kendo bereits wie bestellt auf ihrer Linie und kann den ungewollten Badespaß bereits wenige Meter hinter der Unglücksstelle beenden. Fionas Ärger ist sichtbar, zumal die Stelle letztes Mal doch noch funktioniert hat. Ich kann ihr aber leider auch keine Antwort liefern, da auch ich die Ideallinie heute eindrucksvoll verpasst habe und mich nur durch energisches Stützen über Wasser halten konnte.

Nach einer kurzen Pause geht es weiter. Die zwei vorausgegangenen Fahrten machen sich nun aberg spürbar bemerkbar. Der sonst nach einem Schwimmer eintretende Adrenalinkick währt nur kurz und schon bei der Einfahrt in den Abseilkatarakt passiert Fiona das nächste Malheur. Im zweiten Abfall wird Fionas Boot von einem Stein seitlich aufgekeilt, umgeworfen von ihr getrennt. Während ich und ein Kollege das Boot recht schnell an der linken Uferseite zu fassen bekommen, beschließen Fiona und ihr Paddel die Reise allein fortzusetzen.

Im Zuge des Assistenzeinsatzes für Fiona kommt sogar noch ein weiterer Paddler unter die Fluten und muss angesichts einer unglücklichen Lage ebenfalls sein Boot verlassen. Damit ist sie immerhin nicht mehr die einzige Schwimmerin. Als das Wuchtwasser nachlässt hat sich um die dahintreibenden Paddler und ihr Equipment schnell ein engmaschiges Netz aus verbliebenen Paddlern gebildet, denen es gelingt, sämtliches lebloses und lebendes Treibgut aus dem Wasser zu fischen. Zu unserem Pech jedoch auf der rechten Flussseite.

Kurzerhand gesellt sich deshalb ein weiterer Paddler zu uns, der das inzwischen ausgeleerte und flussabwärts transportierte Boot sicher durch die Soca übersetzt und ihrer Besitzerin zurückbringt. Nun müssen nur noch wir Bootsretter den Katarakt hinter uns bringen bevor einer erfolgreichen Wiedervereinigung nichts mehr im Wege steht. Unten angekommen geht es allen beteiligten gut. Fiona hat auch diesen Schwimmer bis auf ein blaues Knie gut überstanden, beschließt aber nun Ausflüge dieser Art für die abschließenden Flusskilometer sein zu lassen.

Stattdessen gibt es ausgiebige Spielereien in den nachfolgenden Walzen. Während es die meisten von uns bei steilen Kerzelübungen belassen beweist uns Tobi, dass man nicht unbedingt ein Spielboot braucht, um Freestyle Figuren zu zaubern. Gepusht von Tobis Darstellung werde auch ich etwas mutiger und versuche mich an einem Nose Dip. Und prompt werde ich beinahe aufrechtstehend aus der Welle nach hinten geschoben. Fast so wie Fiona noch gestern aus der zweiten Schlüsselstelle angeschossen kam.

Einmal auf den Geschmack gekommen versuche ich dieses Gefühl bei den weiteren Wellen zu reproduzieren und verliere dabei jegliches Zeitgefühl. Die Fahrt ist schneller zu Ende als mir lieb ist. Erst die wenigen Höhenmeter Aufstieg zur Campingwiese hinauf offenbaren, was im Wellenrauch bisher noch unterging. Hunger, Müdigkeit, schwere Gliedmaßen und ein sehr penetranter Neoprengeruch. In umgekehrter Reihenfolge arbeiten wir uns durch die Punkte dieser Liste bis wir am Abend schließlich bei Hunger ankommen.

Der Hunger endet im Halbdunklen bei großer Vereinsgrillerei und wird begleitet von einer Live Band, die nur wenige Meter daneben die Gäste der Campingplatzrestaurants unterhält. Wie einige andere Paddler beschließen auch wir das Ende des Abends im Publikum zu verbringen. Während wir den slowenischen Coverversionen bekannter Pop-Hits lauschen, wird mir plötzlich klar, dass dies unser erstes Konzert seit der Pandemie ist. Wow! Wir hätten es schlechter treffen können.

Noch beeindruckender ist allerdings, dass mir heute ein Triple-Header aus Friedhof,- Slalom- und Abseilstrecke gelungen ist. Und das im Kendo! Sogar Fiona hat, zählt man die Fahrten von heute und gestern zusammen, zumindest einen vollständigen Run der Abseilstrecke hinter sich gebracht. Eigentlich sollte das kaum noch zu toppen sein, oder? Mal sehen was der morgige Tag so bringt.

Da bleibt einem das Boot im Katarakt stecken

Der nächste Morgen bringt Stress. Nicht bei uns. Wir bleiben noch etwas länger. Der Großteil des Salzburger Kajak Clubs macht sich heute aber bereits wieder auf den Heimweg. Und deshalb heißt es für sie nach dem Frühstück sofort Einpacken. Eigentlich hat es schon was Entspannendes, den anderen bei der Arbeit zuzusehen, ohne dabei selbst den Drang zu verspüren sein Zelt schneller als der Nachbar zu verstauen, nur um dann auf der ohnehin gleichen Reisestrecke ein paar Sekunden Vorsprung gegenüber ihm zu haben. Der andere könnte ja langsamer fahren als man selbst.

Die Hektik vergeht und die noch motivierten Paddler treffen sich zu einer gemütlich Abschlussrunde am Einstieg zur Friedhofstrecke. Inzwischen sind wir diese Passage schon so oft gefahren, dass sich kaum noch etwas darüber erzählen lässt. Das einzig nennenswerte an der heutigen Befahrung ist ein Schwimmer meinerseits, der sich durch eine Kollision mit Andi in einem bereits übervollen Kehrwasser ereignet. „Ein Club, ein Kehrwasser!“ Ja eh! Deswegen musste ich auch schwimmen. Weil ich kein Clubmitglied bin, kommentiert Andi den Vorfall trocken.

Ansonsten verläuft die Fahrt ohne Vorkommnisse und geht nahtlos in eine Weiterbefahrung der Slalomstrecke über. Die Besatzung für die heutige Weiterfahrt unterscheidet sich kaum von der gestrigen und so fahren wir, bis auf ein anderes Schlusslicht, genauso routiniert wie gestern in die Slalomstrecke ein. Auch hier läuft alles wie am Schnürchen, vorerst. Auf halber Strecke treffen wir auf einen weiteren Paddler, der offensichtlich allein unterwegs war. Vermutlich nicht unbedingt gern, denn er nahm unsere Gruppe als stille Einladung an, sich von uns durchführen zu lassen.

Der unbekannte Paddler bleib zwar immer einige Meter vor uns, wartete aber abschnittsweise immer im Kehrwasser auf uns, um sich zu versichern, dass wir noch in Sichtweite zu ihm waren. Kurz vor Ende sollte diese Angewohnheit zum Problem werden. Die Stelle, die mir gestern meinen einzigen Schreckmoment verursachte, war für langes Kehrwasserbesetzen nicht gedacht. Direkt vor dieser einen Querung, die begrenzt ist zwischen mehreren Schlitzen flussabwärts und einer Felswand flussaufwärts, liegt nur ein schmales Kehrwasser.

Eine Gruppe unserer Stärke ist davon abhängig, dass keiner zu lange darin verweilt, weil sich sonst ein zu großer Stau auf dieses Kehrwasser hin aufbauen würde. Der unbekannte Paddler schafft aber genau das und bringt damit nicht nur unsere Reihenfolge, sondern auch die Ruhe aus der Gruppe. Ich bekomme zwar noch einen Platz im Kehrwasser, die Paddler hinter mir müssen aber zu Alternativen greifen wie direkt durchfahren oder eine Anhaltemöglichkeit improvisieren.

Ich bringe die Querung problemlos hinter mich und lasse mich im seitlichsten Schlitz durch die Stromschnellen tragen. Die restliche Gruppe hat inzwischen alle größeren Kehrwasser besetzt, sodass ich mir gleich am Ende der Passage ein kleineres, aber näheres Kehrwasser suche. Damit hatte ich auch gleich den ultimativen Blick auf wer auch immer gerade hinter mir war, die Reihenfolge war mir durch das Chaos bei der Einfahrt verloren gegangen. Zwischen zwei Felsen erkenne ich dann den grünen Bootsrumpf von Lorenz.

Komisch, dass man den von hier so gut sieht. Er bewegt sich auch nicht. Er steckt! Seitlich, im falschen Schlitz. Ich verlasse das Kehrwasser und steuere schräg über die Flussmitte auf Lorenz zu. Inzwischen hat auch unser Schlusslicht Lorenz missliche Lage erkannt und versucht im tiefen Wasser der Querung aus dem Boot zu kommen.  Ich bin noch am Überlegen, ob ich mich ihm im Wasser nähren soll oder das Ufer ansteuern soll. Noch bevor ich mich entscheiden muss, kommt Lorenz Boot frei und wird getrennt von seinem Boot aus der Passage gespült, direkt auf mich zu.

Ich erwische sein Boot ideal und kann es direkt nach rechts ans Ufer schieben. Lorenz schwimmt aus eigener Kraft ans Ufer und kann das Boot dort sichern. Dann ziehen wir es gemeinsam an Land. Die flussabwärts gerichtete Strömung hinter der Querung hat sein Boot auf der falschen Kante erwischt und ihn gegen den Felsen gekantet, worauf ihn die Strömung nach hinten gegen die Einfahrt des nächstgelegenen Schlitzes gedrückt hat. Gruselig, aber glücklicherweise ist alles glimpflich ausgegangen. Lorenz hat den Schreck gut überstanden und hat die entgangenen Atemzüge inzwischen nachgeholt.

können wir die Fahrt ohne Vorfälle zu Ende bringen. Danach heißt es Abschied nehmen. Lorenz, Fiona und ich sind die einzigen, die sich nach der heutigen Ausfahrt nochmals zurück zum Camp Lazar bewegen. Alle anderen treten bereits wieder die Heimreise an. Aber nicht ohne ein letztes gemeinsames Mittagessen in Cezsoca. Danach gibt es für uns eine ausgedehnte Nachmittagsruhe, die nahtlos im nächsten Abendessen in Kobarid gipfelt.

Ein letztes Mal werden die Reserven nochmal mit ausgiebigem Essen und Bier aufgefüllt um auch den Abschluss dieser ausgiebigen Paddeltage heil zu überstehen. Mehr Überraschungen a la Lorenz brauchen wir morgen nicht.

Was soll heut noch passieren?

Der letzte Tag. Lorenz letzter Tag, um genau zu sein. Wir bleiben noch eine weiter Nacht. Dennoch wir es auch für uns der letzte Paddeltag werden. Aufgrund von unserer geschrumpften Gruppengröße, wir sind nur mehr zu dritt, fassen wir die Friedhofstrecke ins Auge. Ein letztes Mal verbringen wir eine gemütliche Abfahrt gespickt mit ausgedehnten Spielereien auf der Standardstrecke. Alles ist Routine geworden. Jeder kennt seine Lieblingsstellen, die besten Fotospots oder wo man am besten umfahren sollte.

Dazu kommt ideales Wetter mit blauem Himmel und ein mehr als angenehm niedriger Wasserstand. Was soll denn da noch schiefgehen? Seufz! Erinnert ihr euch noch an die Stelle? Die eine? Kurz vorm Ende, da wo Julian und Fiona und Eva und eh schon wissen. Genau! Jetzt ratet mal, wer heute hier danebenhaut. Fiona frischt zum Abschluss nochmal ihr Gedächtnis bezüglich des Grundes für unseren Respekt gegenüber dieser Passage auf.

Routiniert wie schon die vergangenen Tage möchte sie sich auf der linken Seite vorbeimogeln, tut dies aber zu weit am Rand und kommt dadurch seitlich in den leicht gebogenen Walzenbogen hinein. Dieser greift seine Chance bei der Kante und auch wenn es das wohl eindrucksvollste Foto geworden ist, dass dieser Abfall zu bieten hat, so bleibt dennoch die Erinnerung an einen erneuten Schwimmer. Schon wieder bei derselben Stelle.

Aber passt schon. Was wäre die Friedhofstrecke denn schon ohne Vorfälle auf dieser Schlüsselstelle. Wäre doch langweilig, wenn es nicht zumindest eine Passage gibt, die immer wieder für Gesprächsstoff sorgen würde. Mit einem letzten obligatorischen Radler am Parkplatz hätte diese Ausfahrt damit wohl kaum typischer ausfallen können. Ein echter Klassiker halt. Leicht angeschwipst verabschieden wir uns in verschiedene Richtungen. Die Boote haben jetzt erstmal Pause. Bis zum nächsten Mal,

Euer Paddelclub Pernitz