Abpaddeln 2021

Auf wos worts? Fohr ma!

Bevor der Winter über uns hereinbricht, gilt es die letzte gemeinsame Fahrt zum offiziellen Abschluss der heurigen Paddelsaison, das Abpaddeln, zu unternehmen. Das Ziel für diese Ausfahrt ist seitjeher das Höllental, welches auch spät im Herbst noch mit passablen Wasserständen aufwarten kann. Im Rest des südlichen Niederösterreichs herrscht bereits akutes Niederwasser. Niederschlag war in letzter Zeit selten. Selbst die Hänge von Schneeberg und Rax glänzen gänzlich ohne Anwesenheit von weißen Schneeflecken goldgelb in der tiefstehenden Oktobersonne.

Dem niedrigen Wasserstand der Schwarza geschuldet beginnen wir unsere Fahrt auch nicht bei der Singerin, sondern erst einige Kilometer weiter unterhalb an einer markanten Schotterbank. Normalerweise trifft man hier um diese Jahreszeit bereits auf tiefrot bis gleißend gelb gefärbte Laubbäume, die ihre Blätter im schattigen Morgenfrost der steilen Felswände ins Tal rieseln lassen. Aufgrund des vorherrschenden Altweibersommers findet man nur leicht gelblich verfärbte Baumkronen. Satte kräftige Orangetöne sucht man vergebens.

Dem für Mitte Oktober ausgesprochen warmen Wetter verdanken wir auch die rege Teilnahme an der heutigen Ausfahrt. Mit Yasmin, Fiona, Philipp, Nicole, Martin, Eva, Sigi und Fritz haben wir eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Mitgliedern versammelt. Dementsprechend lange dauert auch das Einbooten. Inzwischen vergnügen wir uns in der einzigen verfügbaren Spielstelle. Die leichten Spielerein helfen die Finger im eisigen Wasser des sonnenarmen Höllentals auf Temperatur zu halten, bis sich die bunte Karawane in Bewegung setzt.

Besonderes Augenmerk legen wir dabei heute auf Martin. Dieser bestreitet heute seine erste Befahrung der Schwarza in einem Hartschalenkajak. Dafür hat er sein sonst übliches grünes Aufblaskajak gegen Evas roten Salto eingetauscht. Und wie sich auf den ersten Metern zeigt hat sich dieser Tausch bezahlt gemacht. Dem grünen Gummiboot wäre bei der Menge an Steinkontakt auf den ersten Metern vermutlich bereits die Luft ausgegangen. Der Salto ist da hart im Nehmen und schippert unbeeindruckt samt Martin flussab.

Bis zur Freiheit beschränkt sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die gleißenden Lichtschimmer der Stromschnellen, die es beinahe unmöglich machen die darunter lauernden Steine und Felsen auszumachen. Erst als sich das Bachbett zunehmend tiefer gräbt werden sowohl der Steinkontakt als auch die schimmernden Lichtspiele weniger. Direkt vor der Freiheit setzte ich mich von der Gruppe ab und platziere mich am Ende der Freiheit mit Kamera und Wurfsack. Vorsichtshalber gehen wir für Martin auf Nummer sicher. Immerhin ist es für ihn die erste Befahrung der Freiheit.

Die Freiheit selbst präsentiert sich angenehm wuchtig. Das wenige Wasser sorgt für tiefe Wellentäler zwischen den leicht überspülten Felsblöcken wodurch die Linienwahl ohnehin vorgegeben ist. Lediglich am Ausgang ragt die bereits bestens bekannte Felsnase aus dem Wasser, welche die Linie in eine rechte oder linke Variante teilt. Mal sehen, wofür sich Martin entscheidet. Im Doppelpack mit Sigi als Vorfahrer stürzen sie sich in die wuchtigen Schwälle. Während alle anderen Paddler die weitere Route rechts um die Felsnase herum nehmen, entscheidet sich Sigi für die Variante mit etwas mehr Charme.

Das erste Drittel navigiert er Martin souverän durch die Wasserwülste. Martin folgt ihm dabei brav, wenngleich auch noch nicht mit derselben Gelassenheit wie sein Vordermann. Wie es sich für einen Anfänger gehört, sucht man die fehlende Sicherheit in der Schnelligkeit. Kurz vor besagter Felsnase entscheidet sich Sigi dann kurzerhand die linke Route einzuschlagen, was beinahe dazu führte, dass der ohnehin schon stark geschrumpfte Abstand zwischen den beiden, fast in einer Kollision geendet hätte. Aber nur beinahe! Direkt nach der Felsnase nimmt die Wuchtigkeit rapide ab und bei dem geringen Wasserstand stellt auch die abschließende Prallplatte keine Gefahr mehr dar. Munter geht es weiter bis zum Weichtalhaus.

Dort bekommen wir prominente Verstärkung: Erich! Mit Paddel bewaffnet scharrt er schon in den Startlöchern und wartet darauf, dass ihm seine untergebenen Diener sein Boot bis ans Ufer tragen mögen, damit der Einstieg für ihn so angenehm wie nur möglich ist. Erneut lässt er es sich nicht nehmen der jungen Generation zu beweisen, was ein alter Mann in seinem museumsreifen Prijon noch so alles draufhat. Einbooten schonmal nicht. Dafür braucht es die Hilfe dreier gestander Männer, aber wozu hat man den sonst Mitpaddler.

Es braucht die Hilfe von Christian, Sigi und Fritz, um Erich in seinem Boot zu verstauen und ihn samt geschlossener Spritzdecke über das seichte Schotterfeld neben dem Weichtalhaus in Wasser zu schieben. Die gesamte Prozedur gestaltet sich als schwerfällig und zieht sich über mehrere Minuten. Langsam kommen Zweifel auf, ob das ganze überhaupt eine gute Idee ist. Sobald Erichs Boot jedoch im Wasser Auftrieb gewinnt, kommt plötzlich Bewegung ins Boot. Wie ein Fisch, der zu lange im Trockenen lag, setzt Erich bei Kontakt mit dem Wasser sofort ein paar routinierte Schläge und fährt ins Kehrwasser mit einem Blick, der übersetzt in etwa folgendes bedeutet: „Auf wos worts? Fohr ma!

Sigi und Fritz gehorchen brav und steigen zurück in ihre Boote, um Erich Geleitschutz zu bieten. Sigi übernimmt die Vorhut und Fritz das Schlusslicht. Dann bewegt sich die gesamte Karawane weiter flussabwärts. Der erste Katarakt folgt unmittelbar danach und ist der erste Gradmesser für Erichs Performance. Unbeeindruckt folgt er Sigi an den steinigen Passagen vorbei. Da produzieren andere Mitpaddler mehr Steinkontakt. Nach dieser ersten Demonstration konzentrieren wir uns wieder auf uns selbst. Erich scheint sein Boot im Griff zu haben wie eh und je.

Einzig eine kleine Felskollision oberhalb der Hochstegbrücke verlangt von Erich etwas beherzteren Paddeleinsatz, da die inzwischen ikonisch nach hinten gerichtete Rückenhaltung allein hier nicht ausreicht. Blöd wenn der eigentliche Vorfahrer hinter Erich unterwegs ist. Kurz darauf kommt auch schon die Schlüsselstelle am Hochsteg. Ich fahre erneut voraus, um mit Wurfsack bewaffnet gegen alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Bis ich diesen jedoch einsatzfähig vorbereitet hatte waren Sigi und Erich bereits durch die Gefahrenstelle hindurch. Mit minimalen Paddeleinsatz und ohne jeglichen Respektabstand treibt Erich unter der Hochstegbrücke am Felsen vorbei, als wäre es eine Stelle wie jede andere.

Auch der Rest der Partie lässt hier nichts anbrennen. Ein paar kurze Spielerein später ist die Fahrt in Kaiserbrunn beendet. Für eine Weiterfahrt fehlt bei den meisten die Motivation und zugegebener Weise auch das Wasser. Nach dem Verstauen der Boote und einem kurzen Umziehen ist die letzte offizielle Vereinsfahrt des Jahres 2022 auch schon Geschichte. Man verabschiedet sich, wünscht sich gegenseitig alles Gute und hofft sich möglichst bald wiederzusehen. Auf das die nächste Saison wieder ein leichteres und nicht so stark pandemiegeprägtes Vereinsleben ermöglicht. Und dass viel Schnee kommt. Denn brauchen wir dann im Frühjahr. Bis dahin.

Euer Paddelclub Pernitz